Ermittler werden selbst Fälscher

Eine neue Untersuchung verdeutlicht ein prekäres Problem: Anti-Fälschungs-Experten, die gemeinsame Sache mit chinesischen Fälschern machen. Auch große Firmen sind vor systematischem Betrug nicht sicher, wie zum Beispiel der Technologie-Riese ABB erfahren musste.

Anti-Piraterie-Dienstleister in China treiben selbst oft ein doppeltes Spiel mit ihren Klienten, wie jetzt eine Recherche von Associated Press bestätigt. Einerseits arbeiten sie als respektable Ermittlungs-Dienstleister für westliche Firmen, andererseits machen sie mit Produktpiraten gemeinsame Sache.

Die Liste der zweifelhaften Machenschaften ist vielfältig: So würden Detektive teilweise selbst lebhaften Handel mit Nachahmungen von Produkten ihrer Auftraggeber treiben. In anderen Fällen würden sie Dokumente fälschen, um nie stattgefundene Razzien vorzutäuschen und sich so Prämien für fingierte Erfolge zu erschwindeln. Und schließlich würden die privaten Ermittler auch direkt mit Fälschern zusammenarbeiten, die Plagiate zur Verfügung stellten, die dann auf Kosten des Originalherstellers angeblich „beschlagnahmt“ werden.

Dass selbst große Konzerne vor solchen Betrügereien nicht gefeit sind, zeigt das Beispiel der ABB Ltd (Asea Brown Boveri). Der global präsente Technologie-Konzern vermutet, dass er Opfer aller drei dieser Betrugsvarianten wurde. Details zum Fall von ABB wurden kürzlich bekannt aufgrund einer Klage, die der Schweizer Hersteller bereits 2009 in Peking gegen seinen damaligen chinesischen Anti-Piraterie-Dienstleister einreichte.

So beklagte ABB, dass die Firma China United Intellectual Property Protection Center (CUIPPC), die es mit dem Schutz seiner Marke in China beauftragt hatte, sich direkt an der Verletzung von ABB-Markenrechten beteiligte. Eine wichtige Mitarbeiterin von CUIPPC war zuvor sogar in einem Verfahren in Dubai wegen Handels mit gefälschten ABB-Produkten verurteilt worden. Sie erklärte in einem Video von 2009, dass sie, mit Wissen ihres Chefs, so viele nachgemachte ABB-Produkte verkaufen könne wie sie wolle, da ihre Firma mit der Anti-Piraterie-Arbeit für ABB beauftragt sei und sie somit niemand verfolgen würde.

Trotzdem kamen die chinesischen Richter zu der Einschätzung, die Mitarbeiterin von CUIPPC sei ohne Wissen ihres Arbeitgebers tätig. Und schließlich entschied das Gericht, dass ABB ausstehende Rechnungen von CUIPPC über rund 500.000 US-Dollar (ca. 458.000 Euro) bezahlen müsse. Die teils zweifelhaften Rechnungen umfassten beispielsweise auch 5.000 US-Dollar für eine Razzia, bei der Fälschungen im Wert von 1 US-Dollar gefunden wurden. Für die Urteilsfindung und die Evaluierung der 1.500 von ABB vorgelegten Seiten mit Beweismaterial brauchten die Richter dabei lediglich einen Tag; zuvor wäre ein wichtiger Zeuge von ABB nicht zugelassen worden, da er nicht rechtzeitig das Visum für eine kurzfristig anberaumte Aussage erhalten hätte.

ABB ist dabei durchaus nicht das einzige Opfer dubioser Ermittlungsfirmen. So wird beispielsweise von einem weltweit führenden Konsumgüter-Hersteller berichtet, der einen Dienstleister für Ermittlungen rund um gefälschte Shampoos engagiert hatte. Der Ermittler machte dann jedoch selbst eine Fabrik für Shampoo-Plagiate auf; die selbst hergestellten Fälschungen ließ er in der Folge auf Kosten des Original-Herstellers „beschlagnahmen“.

Für Experten sind solche Fälle nichts Neues: „Das ist ein bekanntes Phänomen, das wir schon seit Jahren sehen“, kommentiert etwa Horace Lam, IP-Experte in der Pekinger Niederlassung der Anwaltskanzlei DLA Piper. Auch die chinesischen Behörden scheinen sich der teils dubiosen Ermittlungsfirmen durchaus bewusst zu sein. Das Büro für öffentliche Sicherheit warnte vor solchen Dienstleistern und rief Markeninhaber dazu auf, dem Kampf gegen Piraterie die notwendige Aufmerksamkeit und genügend Personal zu widmen. Allerdings scheinen auch die Behörden in China teilweise zweifelhaft vorzugehen. So wird beispielsweise von mutmaßlichen Listen mit geschützten Firmen berichtet, bei denen keine Razzia stattfinden könne.

Schutz vor Strafverfolgung bieten angeblich auch die privaten Anti-Piraterie-Dienstleister. Oftmals würden die Fälscher andere Produktpiraten auf Umwegen bei Ermittlern denunzieren, um so selbst einer Razzia zu entgehen, kommentiert Kevyn Kennedy von CBI Consulting. Dies funktioniere wie bei einer Schutzgelderpressung.

Quellen: Associated Press, The Guardian, World Trademark Review

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