EU-Behörden warnen vor neuer Einfallsroute für Plagiate

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Fälschungen im Wert von ca. 85 Milliarden Euro werden jährlich in die EU eingeführt und vernichten eine halbe Million Jobs, so die erschreckende Einschätzung von Europol und EUIPO. Neue Entwicklungen in der Verbreitung der Plagiate könnten künftig zu einem weiteren, verheerenden Anstieg führen.

So gehen die Experten der europäischen Polizeibehörde Europol und dem EUIPO (Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum) in ihrem neuen Lagebericht davon aus, dass zukünftig Frachtzüge für den Handel mit Fälschungen deutlich an Bedeutung gewinnen werden. Zwar ist der Seeweg noch immer die wichtigste Transport-Methode für Plagiate aus dem asiatischen Raum, angesichts des kontinuierlichen Ausbaus der transeurasischen Güterzugstrecken müsse allerdings mit einem Wandel hin zur Bahn gerechnet werden.

„Da die Schienengüterverkehrsdienste zwischen der EU und China zahlreicher und effizienter werden, wird davon ausgegangen, dass immer mehr IP-verletzende Sendungen per Zug an den östlichen Grenzen der EU ankommen. Falls sie nicht rechtzeitig abgefangen werden, könnten sie dann in ganz Europa verteilt werden.“

Ausschlaggebend dafür sei auch die deutlich kürzere Versandzeit per Güterzug: Während ein Seefrachtcontainer von China nach Europa rund sechs Wochen unterwegs ist, können Frachtzüge die etwa 12.000 km lange Strecke zwischen Peking und London beispielsweise in 18 Tagen zurücklegen, also rund der Hälfte der Zeit. Insgesamt verbinden derzeit 39 Schienenverkehrsrouten Europa mit dem ostasiatischen Land. Neben der englischen Hauptstadt sind unter anderem auch die deutschen Städte Duisburg, Hamburg, Leipzig, Ludwigsburg, München und Nürnberg direkt per Frachtzug aus China zu erreichen.

Die Anzahl der Grenzbeschlagnahmungen an Eisenbahnstrecken sei derzeit zwar noch sehr niedrig (12 Fälle im Jahr 2014, zwei im Jahr 2015; jeweils bezogen auf die EU). Da China jedoch weiterhin der bedeutendste Exporteur von Fälschungen in die EU ist, raten die Experten zur Vorsicht. „Der Schienenweg scheint eine logische Wahl für den Versand vieler gefälschter Sendungen zu sein. Die Güterzugverbindungen könnten Fälschernetzwerken handfeste Vorteile bieten und sollten genau beobachtet werden.“

Zuletzt habe der weltweite Fokus auf andere Formen der Kriminalität wie etwa Terrorismus dazu geführt, dass die Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie in ihrem Stellenwert gesunken ist. Die Experten warnen jedoch, dass IP-Kriminalität nach wie vor eine der lukrativsten Verbrechensformen ist und meist eng mit anderen Arten von Kriminalität verknüpft ist. Neben importierten Fälschungen stellen Europol und EUIPO fest, dass Piraterie-Waren auch direkt in der EU hergestellt werden, oft mittels importierter Etiketten und Komponenten.

Die EU-Behörden gehen insgesamt davon aus, dass die Komplexität in der Herstellung und dem Vertrieb gefälschter Waren zunimmt. Sie plädieren für einen ganzheitlichen Lösungsansatz, bei dem alle Stakeholder eng miteinander kooperieren. In diesem Sinne soll der aktuelle Statusbericht zu Piraterie in der EU gezielt Gesetzgeber, Strafverfolgungsbehörden, Hersteller und Verbraucher über aktuelle Trends und Entwicklungen informieren.

Quellen: Europol, Securing Industry

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