EU-Bericht zeigt Reformbedarf bei Strafverfolgung

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Ein neuer Bericht sieht die organisierte Kriminalität im Wandel, und auch Fälscherbanden ändern ihr Vorgehen. In der Folge ist es zwingend notwendig, dass sich auch Kontrollinstanzen wie Zoll und Polizei sowie die Gesetzgebung weiterentwickeln.

In der EU sei Produkt- und Markenpiraterie eine der wichtigsten neuen kriminellen Aktivitäten. So die Einschätzung des aktuellen Berichts des Royal United Services Institute (RUSI), das dafür illegale Handelspraktiken im Bereich Alkohol- und Tabakwaren sowie Pharmazeutika in verschiedenen EU-Staaten untersuchte. Ein Kernergebnis: Während Behörden immer noch auf die Verfolgung hierarchischer Organisationen eingestellt sind, zeigt sich, dass die organisierte Kriminalität immer seltener ortsgebunden oder stark hierarchisch geprägt ist. Stattdessen schließen sich Fälscher zunehmend in lockeren und weitreichenden Netzwerken zusammen. „Diese Gruppierungen sind gut darin, Gelegenheiten zu erkennen und blitzschnell darauf zu reagieren. Sie diversifizieren ihre Tätigkeitsfelder, um Risiken zu minimieren und Gewinne zu maximieren. Sie nutzen neue Technologien aus, bilden ein Netzwerk unterschiedlich qualifizierter Kontakte und kooperieren international.“

Aufgrund mangelnder Standards in Bezug auf Sanktionen und Gesetzgebung innerhalb der EU müssen international agierende Fälscherbanden häufig nur mit geringen Strafen rechnen, während potenziell große Gewinne in der Produktpiraterie locken. „Die EU-Mitgliedstaaten sind bislang weder ausreichend in der Lage, neue Fälscher abzuschrecken noch, Wiederholungstäter vom Markt zu drängen“, kommentiert der Bericht.

Darüber hinaus nutzen viele kriminelle Gruppierungen die verhältnismäßig geringen Kontrollen in Freihandelszonen aus, um beispielsweise den Ursprung von Sendungen illegaler Imitate zu verschleiern. Auch Produktkomponenten können so leichter verschickt werden. Das ermöglicht Fälschern, ihren Produktionsprozess auf verschiedene Länder aufzuteilen und so eher einer Strafverfolgung zu entgehen. „Es gibt keine internationalen Standards mit denen man in Freihandelszonen gegen Fälscher vorgehen könnte. Einige Behördenvertreter befürchten sogar, dass manche Freihandelszonen zu Territorien ohne Gesetze verfallen könnten.“

Neben der Einführung international gültiger Gesetze sowie der Verschärfung der geltenden Sanktionen sieht der Bericht auch Verbesserungsbedarf im Bereich des Verbraucherschutzes. Dabei gelte es sowohl die Nachfrage nach Plagiaten zu verringern als auch diejenigen Kunden zu schützen, die unwissentlich Fälschungen kaufen. Besonderes Augenmerk müsse dabei auf das Internet sowie neue Medien gelegt werden, wie zum Beispiel Apps, soziale Netzwerke und Messaging-Dienste. „Während viele Kunden absichtlich Fälschungen kaufen, werden andere durch Betrugsmaschen getäuscht, zum Beispiel durch zunehmend professionelle Webseiten krimineller Organisationen.“ Zentral sei eine stärkere Kommunikation und Aufklärung.

Um die EU-Mitgliedsstaaten im Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie zu unterstützen, schlagen die Experten von RUSI unter anderem die Einrichtung eines speziellen Anti-Korruptions-Zentrums unter Schirmherrschaft von Europol und Frontex, der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, vor. Dieses solle dann zum Beispiel fachlichen Rat bei der Festlegung von Prüfverfahren geben, Schulungen zur Korruption unter Behördenvertretern anbieten und die Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedsstaaten fördern.

Bei dem EU-Bericht “On Tap Europe: Organised Crime and Illicit Trade in Tobacco, Alcohol and Pharmaceuticals” des Royal United Services Institute handelt es sich um den letzten Bericht einer Reihe zum Thema illegaler Handel in der EU. Die sechsteilige Reihe untersucht das Ausmaß, Methoden und Handelswege organisierter krimineller Netzwerke und erarbeitet mögliche Lösungsansätze für den Kampf gegen Piraterie.

Eine ähnliche Analyse von 2015 durch Europol und EUIPO befasste sich ebenfalls mit neuen Methoden der Produkt- und Markenpiraterie in der EU. Ein Kernergebnis damals war, dass Fälschungen zunehmend innerhalb Europas hergestellt werden; als erfolgsversprechende Gegenmaßnahme wurde vor allem eine stärkere Aufklärung empfohlen (wir berichteten).

Quellen: Royal United Services Institute, Securing Industry

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