Zollkontrollen: Unternehmen lassen Plagiate offenbar bewusst passieren

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Laut Berichten belgischer Medien lassen Markeninhaber oftmals Fälschungen, die von Zollbeamten abgefangen wurden, bewusst passieren. Die befürchtete Folge: Belgien entwickele sich zunehmend zu einem Einfallstor für gefälschte Waren in Europa.

Bekannte internationale Bekleidungsmarken lassen anscheinend Plagiate ihrer Produkte gezielt und regelmäßig auf den belgischen Markt – mutmaßlich aus wirtschaftlichem Kalkül. Denn die hohen Kosten für die Vernichtung oder das Recycling beschlagnahmter Fälschungen führten dazu, dass einige Markeninhaber die Waren lieber durchwinkten, anstatt sie als Plagiate zu melden. Das geht aus Berichten belgischer Medien hervor, nach einem Beitrag im Magazin WinWin des öffentlich‑rechtlichen Rundfunks VRT.

//„Wir können gefälschte Artikel nur identifizieren und beiseite legen. Die Markeninhaber – wie beispielsweise Nike und Adidas – müssen entscheiden, was mit den Kopien ihrer Marken geschieht. Manchmal sagen sie einfach: Lasst die Fälschungen durch.“
Francis Adyns, Sprecher des belgischen Finanzministeriums und Zolls, laut VRT

Der rechtliche Hintergrund ist dabei klar: Markeninhaber müssen feststellen, ob es sich bei Waren, die der Zoll abgefangen hat, tatsächlich um Fälschungen handelt oder nicht. Wenn sie Produkte als Plagiate identifizieren, sind sie allerdings rechtlich verpflichtet, sie vernichten oder recyclen zu lassen. Das Recycling von sichergestellten Plagiaten koste dabei bis zu drei Euro pro Kilogramm, was bis zu dreimal so teuer ist wie eine einfache Vernichtung. „Gefährliche Güter wie Parfüms oder Batterien müssen vernichtet werden. Kleidung und Schuhe müssen nun jedoch recycelt werden“, erklärt Francis Adyns, Sprecher des belgischen Finanzministeriums und Zolls, gegenüber VRT.

Viele Markeninhaber stellt das möglicherweise vor ein Dilemma: Die ordnungsgemäße Entsorgung der Plagiate verursacht Kosten, die manche Unternehmen nicht immer zu tragen bereit seien. „Gerade wegen dieser hohen Kosten ziehen es einige Markeninhaber vor, die Waren nicht als Fälschungen zu kennzeichnen und sie daher zuzulassen“, so Adyns.

Möglicherweise werden also aus wirtschaftlichen Erwägungen gefälschte Waren nicht als solche deklariert und dürfen folglich in den Verkehr gelangen. Für VRT wirft diese Praxis Fragen auf: Fälschungen sind illegal – und wenn Markeninhaber darauf verzichten, Fälschungen als solche zu identifizieren, erlauben sie damit indirekt deren Verkauf.

Belgien könnte sich so zudem zu einem Einfallstor und einem Umschlagsplatz für gefälschte Waren in Europa entwickeln, befürchtet der VRT‑Bericht. Tag für Tag kommen riesige Mengen Pakete aus China in Belgien an, vor allem über den Flughafen Lüttich (Liège). „Von den 4,5 Milliarden Zollanmeldungen, die jedes Jahr China in Richtung Europa verlassen, passieren etwa 1 Milliarde Lüttich“, erklärt Adyns. Frühere Berichte zeigen, dass boomende chinesische Online‑Shops wie Temu, Shein oder AliExpress den Flughafen Lüttich mit Kleinsendungen überfluten, ein Großteil davon für Empfänger im nahegelegenen Deutschland.

Für den VRT‑Bericht wurden mehrere Unternehmen vergeblich um eine Stellungnahme gebeten, darunter die bekannten Mode- und Sportartikelhersteller Nike und Adidas. Der Bericht erwähnt auch, dass Plagiate nicht nur vom Zoll aus dem Verkehr gezogen werden können, sondern auch durch die belgischen Wirtschaftsaufsichtsbehörden, zum Beispiel bei Kontrollen in Geschäften und Online‑Shops mit polizeilichen Befugnissen. Auch dann müssten die Markeninhaber für die Vernichtung der aufgefundenen Fälschungen aufkommen.

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