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„Huch, wer spricht denn da?“

Dieses Erstaunen über die eigene Stimme kennt wohl jeder, wenn er sich auf einer Aufnahme hört. Doch warum ist das so? Und vor allem: Warum ist das auch vollkommen okay so?

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– Sprachlabor –
22.10.2020
„Huch, wer spricht denn da?“
Dieses Erstaunen über die eigene Stimme kennt wohl jeder, wenn er sich auf einer Aufnahme hört. Doch warum ist das so? Und vor allem: Warum ist das auch vollkommen okay so?

Für manche ist das ein nachhaltiges Schockerlebnis: „SO KLINGE ICH ALSO FÜR ANDERE?!“ Wer sich selbst schonmal zum Beispiel in Videos, auf Anrufbeantwortern oder – Smartphones sei Dank – beim Durchhören eigener Sprachnachrichten lauschen konnte, kann ein Lied davon singen. Oder eben auch nicht, weil er/sie sich das nach dieser Selbsterkenntnis nicht mehr traut. Tatsächlich ist es aber ganz normal, dass wir für uns selbst ganz anders klingen als unsere Stimme „draußen“ für unsere Mitmenschen.

Warum unsere „innere Stimme“ so anders klingt
Dafür, dass wir den Klang unserer Stimme nicht gewohnt sind, gibt es eine ganz natürliche Erklärung (Achtung, Physik!). Die Schallwellen unserer Stimme wandern durch die Luft zu unseren Mitmenschen und versetzen deren Trommelfell in Schwingung. Ihr Gehirn übersetzt diese Schwingungen und Vibrationen dann in den Klang, den sie wahrnehmen. Das funktioniert übrigens bei Tonaufnahmen ganz ähnlich: Da wird statt des Trommelfells eben eine Mikrophon-Membran in Schwingung versetzt.

Für uns selbst aber gibt es außer dieser „Luftstimme“ noch eine zweite Klangquelle: Die Vibration unserer Stimmbänder. Wir hören also eine Kombination aus einer externen und einer internen Schallquelle, wenn wir selbst sprechen oder singen. Dabei sorgt diese „innere Stimme“ in unserer Selbstwahrnehmung meist für einen volleren, vielleicht auch etwas tieferen Klang – weil wir eben wahrnehmen, wie Hals, Brust und vor allem unser Kopf mitschwingen. Wir sind also unser eigener Resonanzkörper. Und an genau dieses Klangkombinat haben wir uns von Geburt an gewöhnt – es prägt unser (stimmliches) Selbstbild. Ähnlich ergeht es uns übrigens, wenn wir unser Spiegelbild mit Fotos von uns vergleichen. Dadurch, dass wir uns selbst nämlich öfter in spiegelverkehrter Form sehen als auf Fotos, kommt einem so mancher Schnappschuss oder Selfie-Versuch dann doch unvereinbar mit dem Selbstbild vor.

Aber zurück zur Stimme. Wer unzufrieden mit dem Klang der eigenen Stimme ist, fragt natürlich:

Was kann ich eigentlich für meine Stimme tun?
Nichts. Das könnte man erstmal denken. Doch das ist falsch. Es gibt tatsächlich zwei wichtige Ansatzpunkte, wenn man an der eigenen Stimme arbeiten möchte:

Erstens: Training. Nicht alles am Klang einer Stimme ist angeboren und unveränderbar. Vieles hängt von antrainierten und gewohnten Gebrauchsweisen unserer Stimme ab. Man kann die Stimme daher trainieren und durch gezielte Übungen aus der Logopädie, Gesangskunst und Sprechkunst die Stimmbänder und Sprachmuskulatur tatsächlich physisch verändern und verbessern.

Kurzer Ausflug in die Praxis der Stimmübungen:

Eine spielerische und gleichzeitig wirkungsvolle Übung ist, durch einen Silikonschlauch Luftblasen in eine Wasserflasche zu pusten. Man nutzt hier den Effekt, dass die Stimmbänder durch die Luftsäule im Schlauch und den Gegendruck durch das Wasser am anderen Ende quasi einen Sparringspartner haben, der beim normalen Sprechen oder Singen fehlt. Bankdrücken für die Stimmbänder also. Die Stimme wird dadurch kräftiger, voller und gesünder. Achtung: Nur mit professioneller Anleitung und nicht länger als ein paar Minuten praktizieren.

Außerdem wirken sich auch unser körperliches Befinden und unsere Körperhaltung stark auf den Klang unserer Stimme aus. Hier kann man auch durch gezielte Körperübungen Einfluss nehmen. Wer es ganz ernst meint und Trainingsfortschritte besser wahrnehmen will, kann mit Tonaufnahmen von sich selbst arbeiten.

Zweitens: Akzeptanz. Klingt vielleicht jetzt soft, ist aber wahrscheinlich am härtesten umzusetzen – und gleichzeitig das beste Mittel, um mit dem Klang der eigenen Stimme umzugehen. Je mehr ich mich mit meiner Stimme auseinandersetze und mich an ihren Klang gewöhne, desto besser kann ich sie akzeptieren – zum Beispiel dadurch, immer wieder gezielt Tonaufnahmen anzuhören.

Damit arbeitet heutzutage auch oft die Lehrerbildung: Videoaufnahmen vom eigenen Unterricht oder von Präsentationen werden analysiert und konstruktiv besprochen. So lernen die angehenden Lehrkräfte sich selbst, ihr Auftreten und eben auch den Klang ihrer eigenen Stimme kennen.

Ein strenger, durchdringender Klang oder eine vernuschelte, leise Stimme haben dabei gelegentlich mehr mit der inneren Haltung als mit den physischen Gegebenheiten des Stimmapparates zu tun. Dies im Sinn kann jede und jeder selbst entscheiden, was sie oder er ändern kann und will – und was man an der eigenen Stimme akzeptieren muss. Und wer sich selbst kennt und akzeptiert, der kann bewusst und souverän einsetzen, was er hat – in diesem Fall das Werkzeug Stimme. Das braucht in manchen Fällen vielleicht Zeit, Geduld und Überwindung – aber es zahlt sich aus.

Warum das relevant für meine Kommunikation ist
Wie andere meine Stimme hören, ist Teil meiner Außenwirkung. Sich der Stimmwirkung bewusst zu werden, ist also ein essenzieller Schritt, wenn man erfolgreich und womöglich noch strategisch kommunizieren möchte. Ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper und damit auch zur Stimme trägt maßgeblich dazu bei, souverän und verbindlich aufzutreten und Missverständnisse zu vermeiden. Es ist also ein lohnenswertes Unterfangen, dem stimmlichen Spiegelbild in die Augen zu schauen und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Denn nur so weiß man, wie sich die eigene Stimme wann verhält, welche Situationen schwieriger sind als andere und wie man damit umgehen kann.

Dazu noch ein kleiner Praxistipp: Hat man selbst nicht gerade den stärksten Stimmapparat und muss dennoch während einer längeren Präsentation viel und laut sprechen, spürt man gelegentlich einen Frosch im Hals. Normalerweise hat man dann den starken Drang, sich zu räuspern. Setzt man sich aber ein bisschen mit der eigenen Stimme auseinander, merkt man schnell, dass das Gift für die Stimmbänder ist. Denn die Stimme klingt danach schnell angegriffen oder kann sogar schmerzen. Das nimmt die eigene Konzentration und unter Umständen auch die der Zuhörer. Ein Schluck Wasser oder ein kurzes, gezieltes Husten sind viel effektiver und gesünder für die Stimmbänder – und man behält souverän die Kontrolle über die eigene Stimme.

Bewusstsein für die eigene Stimme hilft also nicht nur in Situationen, in denen man eine starke Stimme braucht, sondern auch schlicht dann, wenn einem die eigene Stimme in Aufnahmen fremd oder gar unangenehm vorkommt. Dann ist das beste Rezept – wie bei manchen Mitmenschen auch – Annähern und Kennenlernen. Und die Zauberworte sind Training und Akzeptanz. Wer sich darauf einlässt, merkt schnell: Was die anderen als meine Stimme hören, schreckt mich nur ab, weil ich mir noch nie so richtig gelauscht habe. Höchste Zeit also, mal die Löffel zu spitzen.

Quellen: time.com, lexikon.stangl.eu

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