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Schreibt sie nur oder erschafft sie schon?

Es lässt schon aufhorchen, was künstliche Intelligenz mittlerweile alles kann. Zum Beispiel ganze Romane schreiben. Was das für uns als schreibende Zunft bedeutet, haben wir uns mal genauer angeschaut.

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– Sprachlabor –
24. November 2022
Schreibt sie nur oder erschafft sie schon?
Es lässt schon aufhorchen, was künstliche Intelligenz mittlerweile alles kann. Zum Beispiel ganze Romane schreiben. Was das für uns als schreibende Zunft bedeutet, haben wir uns mal genauer angeschaut.

Lange Zeit wurde die Künstliche Intelligenz (KI) als etwas betrachtet, das nur in Science-Fiction-Romanen und -Filmen existierte. In den letzten Jahren ist jedoch ein großer Fortschritt in der Technologie erzielt worden, sodass KI heute zu einem integralen Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden ist. Dabei spielt zunehmend die Frage eine Rolle, inwieweit Maschinen in der Lage sind, kreative Aufgaben zu lösen – etwa, wenn es darum geht, Texte zu schreiben. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Ansätze. Einer der bekanntesten ist die maschinelle Lernung (Machine Learning). Durch die ständige Analyse großer Mengen an Daten lernen KIs, wie Menschen zu denken.  Im Ergebnis kann KI inzwischen tatsächlich sehr überzeugend ganze Texte schreiben.

So, ab jetzt schreibt der Mensch …
… denn den ersten Absatz hat eine KI geschrieben! Hand aufs Herz: Hast du’s gemerkt? Nein? Damit bist du nicht allein. Bei einer im Frühjahr 2020 durchgeführten Studie sollten die Teilnehmer Fake-News erkennen, die von einer KI generiert wurden – knapp die Hälfte scheiterte daran. Die offensichtlich überzeugenden Texte kamen von GPT-3, der bereits dritten Generation des Generative Pre-trained Transformer. Diese Sprach-KI wurde entwickelt von OpenAI, einer amerikanischen Non-Profit-Organisation, finanziert von Tech-Größen wie Elon Musk und Microsoft.

GPT-3 ist auch der Autor unseres ersten Absatzes. Dafür haben wir die KI lediglich mit ein paar Schlagworten gefüttert und eine halbe Minute gewartet: Fertig war ein 2.000 Zeichen langer Text zum Thema „Kann KI kreativ schreiben“ – durchaus lesbar und nachvollziehbar aufgebaut. Hut ab! Für die gleiche Textlänge brauchen wir Menschen doch etwas länger. Dafür nutzt GPT-3 eine Art neuronales Netzwerk, das mit einer großen Menge an Internetdaten trainiert wurde und auf dieser Basis immer weiter lernt (Deep Learning).

Schreibblockade ade
Textgeneratoren wie GPT-3 sind mittlerweile so gut, dass sie bereits Gedichte oder ganze Bücher schreiben können. Zum Beispiel die Kölner Text-KI Ella des Medienunternehmers Michael Keusgen. Sie beherrscht 16 Sprachen und hat bereits vierzig Kurzgeschichten geschrieben. Mit Schreibblockaden, wie sie unsereins zuweilen heimsuchen, hatte Ella dabei nicht zu kämpfen. Neben dem Schreibtempo ein weiteres Plus gegenüber uns menschlichen Autoren. Aber sind wir Journalisten und Texter aus Fleisch und Blut dann jetzt nicht eigentlich überflüssig? Die Antwort lautet nein! Denn – mal ehrlich – so richtig rund liest sich unser von GPT-3 verfasster Texteinstieg ja nicht. Was den Maschinen nämlich bei all ihrem Wissen fehlt, ist eine eigene Vorstellungskraft: also Fantasie und Kreativität. Und oft fehlt ihren Texten auch der Kontext, also das sinnvolle Zusammenführen und zu Ende denken verschiedener Handlungs- oder Gedankenstränge.

Eine 2- in Geschichte, eine 5 in Kreativität
Das zeigen auch die Ergebnisse eines Experiments des Education for Refugees e.V., kurz EduRef aus Karlsruhe. Dabei ließ man GPT-3 Aufsätze zu diversen Fachthemen sowie kreativen Aufgaben schreiben und gab diese, vermischt mit studentischen Aufsätzen, verschiedenen Professoren zur Bewertung. Das Ergebnis: In Geschichte und Recht konnte die KI mit einer 2- mit den Studenten gut mithalten. Im kreativen Schreiben ist die Arme dagegen glatt durchgefallen. Hier wirkten die Texte auf die Professoren stumpf und unbeholfen.

Das liegt schlichtweg daran, dass KI wie ein Schwamm Millionen von Quellen aufsaugt und dann neu verwertet. Sie generiert so lediglich die Illusion von Neuschöpfung. In Wirklichkeit aber handelt es sich eher um eine sehr fortschrittliche Art des Wiederkäuens. Damit punktet KI also vor allem dann, wenn es um die Wiedergabe von Wissen, Ereignissen und Fakten geht und sie könnte so sicher unbemerkt für den ein oder anderen bequemen Studenten eine Hausarbeit bestehen. Sind darüber hinaus aber Einfallsreichtum und eigene Ideen gefragt, kommt die KI schon mal ins Schwitzen.

Gestatten, KI – mein neuer Co-Autor
Wir Schreiberlinge müssen also keine Angst haben, dass wir demnächst arbeitslos sind. Denn anders als die KI verstehen wir, was wir da schreiben und vor allem auch, für wen und warum. Wir können Neues schaffen, spannend verknüpfen und einem Text oder einer Geschichte so eine persönliche Note geben. Aber – und das müssen wir uns wohl oder übel eingestehen – KI wird immer einen größeren Wissenshorizont als ein einzelner menschlicher Autor erreichen. Warum also nicht einfach zusammenarbeiten? Es soll bereits Autoren geben, die Programme wie Ella oder GPT-3 nutzen, um Texte zu optimieren oder sich für Beiträge inspirieren zu lassen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und in jedem Fall können wir davon profitieren.  Zum Beispiel jetzt, wo ich als menschlicher Autor mal dringend eine Pause brauche, könnte mein neuer Co-Autor ja bereits mit dem nächsten Beitrag beginnen …

Quellen: the-decoder.de, t3n.de, www.lernen-wie-maschinen.ai, www.change-magazin.de, www.mind-verse.de

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