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Warum ein Punkt Ärger bedeuten kann

Wenn in Kurznachrichten am Satzende plötzlich ein Punkt auftaucht, vermuten wir dahinter immer häufiger eine klare Botschaft. Gar Verärgerung? Wir haben dieses Phänomen mal unter die Lupe genommen …

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– Sprachlabor –
07. Dezember 2018
Warum ein Punkt Ärger bedeuten kann
Wenn in Kurznachrichten am Satzende plötzlich ein Punkt auftaucht, vermuten wir dahinter immer häufiger eine klare Botschaft. Gar Verärgerung? Wir haben dieses Phänomen mal unter die Lupe genommen …

Abgesehen von Frage- und Ausrufezeichen dienen Satzzeichen in allererster Linie der Strukturierung des geschriebenen Wortes. Natürlich wollen wir bei dieser Aussage nicht unterschlagen, dass auch ein gut gesetztes Komma in bestimmten Sätzen wie beispielsweise „Wir essen jetzt, Oma!“ ein entscheidendes Element sein kann, um eindeutiges Verständnis zu ermöglichen.

In der Vergangenheit gab es immer wieder, eher erfolglose, Versuche, zusätzliche Satzzeichen einzuführen, die Bedeutung transportieren sollten. Das wohl populärste Beispiel ist die Kennzeichnung von Ironie: Beginnend vor etwa 120 Jahren erblickten immer wieder neue Vorschläge für ein solches Satzzeichen das Tageslicht – wo sie aber nie wirklich lange überlebten. Einzig in der deutschsprachigen Untertitelung von Filmen wird seit 2006 gelegentlich ein in Klammern gesetztes Ausrufezeichen „(!)“ verwendet, um auf Ironie hinzuweisen.

Wer hätte vor diesem Hintergrund gedacht, dass es im Jahr 2018 gerade der Punkt ist, dem plötzlich eine ganz konkrete neue Bedeutung zugeordnet werden würde – noch dazu eine eher negative? Bevor wir allerdings zu den Details dieser Entwicklung kommen, zunächst einmal ein einfaches Beispiel, das zeigt, wo und vor allem wie diese Wirkung entsteht:

In der ersten Variante ohne Punkt wirkt die Antwort nicht endgültig, sondern hält das Gespräch durch sein „satzzeichenloses“ Ende in seinem weiteren Verlauf offen. Der oder die Fragende kann sich so eingeladen fühlen, beispielsweise nach dem Grund zu fragen. In der zweiten Variante mit Punkt dagegen ist das anders. Der Punkt vermittelt eher den Eindruck von „Ende der Diskussion“ oder „Und frag ja nicht nach.“ – und so kann das Gefühl entstehen, die antwortende Person sei verstimmt oder gar verärgert. Ganz so, als würde jemand am Ende eines wütenden Statements rufen: „Punkt!“ Doch warum ist das so? Wie kommt es zu diesem Eindruck, diesem Gefühl von Ärger?

Zunächst einmal wollen wir festhalten, dass die Bedeutung, die man einem solchen Punkt beimisst, natürlich Interpretationssache ist und vom jeweiligen Kontext abhängt. Beispielsweise allein schon vom Gegenüber, mit dem kommuniziert wird. Allerdings können sich gerade negative Interpretationserfahrungen durchaus auch unbewusst manifestieren und werden so zu einer Art Standard. Ein Beispiel, um diesen Gedanken zu verdeutlichen: Wenn die Partnerin oder der Partner gerne den Punkt als Stilmittel wählt, um Ärger oder Beleidigt-Sein zu signalisieren, kann das dazu führen, dass ein Punkt auch bei anderen Personen als ein solches Signal gewertet wird. Auch wenn diese das vielleicht gar nicht so meinen.

Zurück zu unserer Analyse. Natürlich haben wir in unserem Beispiel nicht zufällig die Darstellung eines Chats gewählt. Denn die „Punkt-bedeutet-Ärger-Entwicklung“ bezieht sich nicht auf die klassische schriftliche Kommunikation, sondern auf den Bereich des Instant Messaging. Der Hintergrund: Hier schreiben wir so, wie wir reden. Dabei denken wir nicht lange über Struktur nach. Unterstützt wird das Geschriebene oft auch durch Emojis, die allerdings bewusst geschaffen wurden, um eine spezifische Bedeutung oder Emotion klar zu transportieren – im Unterschied zum Punkt.

Im Normalfall werden Punkte beim Schreiben in Instant-Messaging-Diensten weggelassen. Diese Gewohnheit bringt wiederum mit sich, dass das aktive Setzen eines Punkts plötzlich automatisch Bedeutung bekommt – denn hinter einer „gepunkteten Antwort“ muss ja eine Absicht stecken. Und schon steht die Frage im Chat-Raum: „Warum denn jetzt ein Punkt? Was will mir der Autor, die Autorin damit sagen?“ Und da der Punkt nun eben für ein Ende steht, wird dieses Ende ganz natürlich auf den Inhalt der Aussage übertragen: „Ich habe fertig.“ Der Clou ist allerdings, dass so möglicherweise und eventuell unbeabsichtigt das Ende für die gesamte Konversation eingeläutet wird – also: „Ich habe fertig – und du auch.“ Kurz: Der Punkt scheint die gesamte Kommunikation zu beenden, was eher unhöflich und harsch wirkt – und so liegt die Vermutung nahe: Da ist wohl jemand verärgert.

Was ist aus diesen Erkenntnissen zu gewinnen? Nun, wir sind der Meinung, zunächst sollte sich natürlich niemand zu sehr verkopfen und in Zukunft an jedem Satzende einer SMS, einer Facebook-, Threema- oder WhatsApp-Nachricht einen inneren Konflikt austragen, an dessen Ende eine Entscheidung pro oder contra Punkt steht. Allerdings kann dieses Thema sicherlich für die Kommunikation über Instant-Messaging-Medien im beruflichen Umfeld interessant sein, zum Beispiel via Skype. Denn auch hier wird aus Zeitspargründen schnell mal eine Nachricht an Person A, mal eine Antwort an Person B verschickt – was natürlich ein gewisses Risiko für Missverständnisse birgt, insbesondere dann, wenn dem Absender bestimmte Kommunikations-Feinheiten und die Sensibilität des Gegenübers nicht ganz bewusst sind.

Wir meinen daher: Wer sich der negativen Bedeutung, die schon in einen schlichten Punkt hineininterpretiert werden kann, bewusst ist, kann Missverständnissen vorbeugen – nicht nur im professionellen Umfeld, sondern vor allem auch beim nächsten Chat mit dem Partner …

Quellen: shadycharacters.co.uk, newrepublic.com
 

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