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1950: 29 Wörter
2017: 174 Wörter

Die Anzahl der Wörter in einer durchschnittlichen Dankesrede bei den Oscar®-Verleihungen hat sich im Laufe der Jahre versechsfacht.

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- Dataaa! -
05. Juli 2018
1950: 29 Wörter
2017: 174 Wörter
Die Anzahl der Wörter in einer durchschnittlichen Dankesrede bei den Oscar®-Verleihungen hat sich im Laufe der Jahre versechsfacht.

Offenbar war früher nicht nur alles besser, man kam wohl auch schneller zum Punkt. Wie der tschechische Regisseur Jiri Menzel in seiner Dankesrede 1967: “I am very happy that Americans like Czech film. Thank you.” Doch mal im Ernst: Wie kommt es zu diesem messbaren quantitativen Zuwachs? Und was denken wir darüber?

Nun, es ist nur schwer vorstellbar, dass es heute bei einer Oscar®-Verleihung allgemein signifikant mehr zu sagen gibt als vor 70 Jahren. Doch was sich wohl nachweislich geändert hat, ist die Art zu danken. Tatsächlich ist das Bedanken eine interessante Kommunikationssituation und gibt einiges über uns preis. Und je öffentlicher der Dank, desto mehr steht man unter Beobachtung: Bei wem bedankt man sich? Zeigt man sich empathisch? Werden implizite Botschaften eingebaut?

Wo früher das Bedanken vor allem bescheiden und würdevoll zu sein hatte, überwiegt heute die wortreiche, kollektive Umarmung all derer, die ebenfalls beteiligt waren. Ein typisches Beispiel: Wo es früher schlicht „Herzlichen Dank.“ hieß, artikuliert man heute in der Regel „Ich danke meiner Familie, die mich die ganze Zeit über unterstützt hat.“ So geht Versechsfachung. Ein weiterer Punkt: Gut möglich, dass sich parallel auch die Form der Selbstdarstellung in den vergangenen Jahrzehnten zur Kunst entwickelt hat – und Kunst braucht schließlich Zeit und Raum. Wo die Filmdiva der 50er Jahre einen schlichten Luftkuss in Richtung der jubelnden Menge warf, gehen die heutigen Stars auf Tuchfühlung: Selfies, Interviews, Händeschütteln.

Vom roten Teppich zurück in unseren Alltag: Was halten wir von dieser Entwicklung – und betrifft sie auch uns als Nicht-Stars? Nun, auch wir müssen uns beim Bedanken mit der Frage des wie viel auseinandersetzen. Man denke nur mal an all die Facebook-Geburtstagsgratulanten: Reicht ein allgemeines „Danke an alle, die an mich gedacht haben!“? Hat jeder Glückwunsch-Post ein eigenes Like verdient? Klar ist, dass das wie viel Bedanken am Ende jeder selbst entscheiden darf. Wir finden allerdings, dass das Bedanken eine der Kommunikationssituationen ist, in der es nicht zwingend auf Kürze und Prägnanz ankommt, sondern vielmehr auf emotionale Ausführung – und die darf doch gerne auch mal etwas länger und persönlicher ausfallen. Gerade für Kommunikationsschaffende, die wir sonst auf „reduce to the max“ getrimmt sind, doch ein entspannender „Ge-Danke“, oder?

Quelle: ceros.com

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