Sterben Websites aus?

Zuletzt wurde der Website immer häufiger ein nahes Ende prophezeit. Zu Recht? Wir haben das Thema mal genauer unter die Lupe genommen – mit einem klaren Ergebnis.

© Gorodenkoff / Fotolia., fotofrank / Fotolia.
– Trennt's: Spreu vom Weizen –
23. November 2018
Sterben Websites aus?
Zuletzt wurde der Website immer häufiger ein nahes Ende prophezeit. Zu Recht? Wir haben das Thema mal genauer unter die Lupe genommen – mit einem klaren Ergebnis.

“Ich lehne mich mal ein wenig aus dem Fenster und sage voraus: Im Jahre 2018 werden wir den ersten geplanten Website-Shutdown einer großen Marke erleben. Und wenn die erste Website erst mal gefallen ist, wird es zum Dominoeffekt kommen.“ Diese Prognose zum baldigen Aussterben von Unternehmenswebseiten tätigte Anfang des Jahres Robert LoCascio, Gründer und CEO von LivePerson. Laut eigener Website (Ja, die gibt es) „World’s #1 AI-Powered Messaging Platform for Brands“. Etwas haptischer ausgedrückt: Er ist der Erfinder des „Chat-Fensters“, auch „Chat Client“ genannt.

In seinem Essay beschreibt LoCascio Webseiten aufgrund ihrer HTML-Architektur als zu statisch und unindividuell, um den Anforderungen moderner Nutzer gerecht zu werden. Gleichzeitig seien sich Websites in ihrem Erscheinungsbild und ihrer Struktur viel zu ähnlich. Offline bemühten sich Marken um Einzigartigkeit – online sehe alles gleich aus: eine Top-Navigation, ein paar Texte hier, ein paar Bilder da, vermischt mit Elementen, die aber doch überall ähnlich arrangiert seien. Schuld an der Misere: Google, seine Algorithmen und SEO.

Mitte 2018 bestärkt LoCascio seine Trend-These nochmals in einem Interview: „Ich werde dafür sorgen, dass die Webseite stirbt.“ LoCascio hat diese Meinung übrigens nicht exklusiv. Es gibt durchaus auch andere Stimmen, die für die Zukunft der Webseite schwarzsehen – wenn auch nicht so drastisch formuliert. Laut yext.de beispielsweise, einer führenden Plattform für Digital Knowledge Management, haben Websites aktuell nicht unerhebliche Vertrauens- und Traffic-Probleme: Eine Grundursache dieser Probleme sei die Tatsache, dass Nutzer bei der Suche nach einem Unternehmen stets auf eine Vielzahl von Links stießen, von denen nur ein einziger zum offiziellen Webauftritt führt. Dies hat starke Auswirkungen auf den Traffic: Laut einer Studie von yext.de finden 73 Prozent des relevanten Traffics auf Drittanbieter-Plattformen statt. Gleichzeitig nennen nur 38 Prozent der Befragten, auf die Frage welchen Informationsplattformen sie am meisten vertrauten, die tatsächlichen Anbieter-Webseiten – der Rest entfällt auf Drittanbieter, die damit die Vertrauens-Nase deutlich vorne haben. Insgesamt scheint sich der Eindruck zu manifestieren, die klassische Website habe ein Problem.

Aber muss gleich ein vollständiges Aussterben prognostiziert werden? Reden wir hier tatsächlich von einem unumstößlichen Trend? Hat die Website ausgedient? Und gibt es vielleicht schon eine Alternative, die nur darauf wartet die Website überflüssig zu machen? Blicken wir zunächst auf diese mögliche Alternative, um danach herauszufinden, wie die oben genannten Probleme angegangen werden können. Denn dass eine Weiterentwicklung der Website in dem sich fortwährend wandelnden System Internet stattfinden muss, liegt in der Natur der Sache.

Schauen wir uns also die Alternative zur Website an. Mancherorts heißt es: Wer braucht schon eine klassische Webseite, wenn man doch ganz einfach ein Unternehmensprofil auf den Plattformen sozialer Medien einrichten kann? Nicht wenige betrachten einen gepflegten Social-Media-Auftritt als echte, starke und moderne Alternative zur Website: Es winken riesige Reichweiten, neue Zielgruppen, direktere Kommunikationsmöglichkeiten. Was eine vollständige Ablösung der Website durch Social Media angeht, sind wir allerdings mehr als skeptisch, denn diese Strategie hat deutliche Nachteile – hier eine Auswahl:

  • Nur zu Gast im „eigenen Haus“?
    Ein Unternehmen hat auf der eigenen Website die alleinige Kontrolle über die Inhalte und deren Sichtbarkeit. In sozialen Netzwerken ist das nicht der Fall. Wo, wie und wann geposteter Content bei wem auftaucht, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab. Zudem ist es nicht selten, dass Rechte an eigenen Inhalten (zum Beispiel an Bildern) automatisch abgetreten werden.
  • SOS! Wir tauchen nicht mehr auf!
    Wenn sich Algorithmen einer Social-Media-Plattform ändern (wie erst kürzlich bei Facebook), kann es passieren, dass die Unternehmens-Posts im Newsfeed der Nutzer mit einem Mal nicht mehr oder deutlich weniger auftauchen.
  • Wo bleibt die eigene Identität?
    Unternehmensauftritte auf Social-Media-Plattformen sehen fast identisch aus – nur das Firmenlogo schafft ein Mindestmaß an Einzigartigkeit. Bei der Gestaltung der eigenen Website kann man dagegen für einen individuellen, aufmerksamkeitsstarken und in Erinnerung bleibenden Auftritt aus dem Vollen schöpfen – immer im Rahmen der eigenen Corporate Identity.
  • Zutritt nur für Clubmitglieder
    Vielleicht ein sehr simples Argument, trotzdem aber nicht weniger wahr: Kunden, die in den jeweiligen sozialen Medien nicht angemeldet sind, werden automatisch ausgeschlossen und haben so keinen Zugang zu den Online-Informationen des Unternehmens. Eine Webseite kann jeder, der auf einen Internetanschluss Zugriff hat, besuchen.
  • Inhalte machen die Eintagsfliege
    Durch die ihnen eigene Dynamik und Geschwindigkeit von Social-Media-Plattformen, haben dort gepostete Inhalte eine natürliche Kurzlebigkeit. Da kann es schnell passieren, dass ein mit viel Liebe, Zeit und Geld kreierter Content nach kurzer Zeit wieder in den Tiefen der Newsfeeds verschwunden ist. Auf der eigenen Website dagegen hat ein Unternehmen die Möglichkeit, Wichtiges und Wertvolles dauerhaft und prominent präsent zu halten.

Wir fassen kurz zusammen: wenig Kontrolle, starke Abhängigkeit, verwaschene Identität, Ausgrenzung und sehr kurzer Content-Lebenszyklus. Diese Schwächen zeigen, ein reiner Social-Media-Auftritt kann eine klassische Website nicht völlig ersetzen. Auch für das Onlineportal it-daily.net ist klar: „Dass [die Website] weiterlebt, ist sowohl im Interesse der Unternehmen als auch ihrer Kunden, denn für die einen ist sie die am besten zu steuernde, für die anderen die zuverlässigste Informationsquelle.“

Damit das so bleibt und die oben genannten Probleme gelöst werden, muss allerdings künftig an gewissen Stellschrauben gedreht werden. Hier einige Vorschläge:

  • Das Ende des „Website-First-Prinzips“
    Die Website ist keine Sonne, das Internet kein Sonnensystem. In jedem Fall muss eine Webseite als ein Teil eines weitläufigen Netzwerks aus vielen Touchpoints begriffen werden. Diese Touchpoints müssen von Website-Betreibern identifiziert, analysiert und intelligent verknüpft werden. Das Management eines solch komplexen Netzwerks wird in jedem Fall ein immer wichtigerer Baustein erfolgreicher Online-Kommunikation.
  • Offen gegenüber neuen Technologien
    Die Integration neuer, wichtiger Technologien in die bestehende Webseiten-Struktur ist eine weitere wichtige Stellschraube. Die Devise könnte lauten: „Nicht mit dem Strom schwimmen, aber mit der Zeit gehen“. Ein Beispiel ist die „Sprachsuche“, deren Anteil an Suchbefehlen zuletzt rasant stieg. Hierfür müssen Informationen in maschinenlesbare Sprache „übersetzt“ werden, um von Alexa, Siri und Co. gefunden werden zu können.
  • Ohne responsiv läuft’s schief
    Natürlich müssen Webseiten immer responsiv sein. Laut Statistischem Bundesamt gehen heute 81 Prozent der deutschen Nutzer über ihr Smartphone ins Internet. Die Anpassung an mittlerweile 50 verschiedene Formatgrößen ist natürlich mit einem gewissen Aufwand verbunden, es führt allerdings kein Weg daran vorbei.
  • Mehr Mut zum individuellen Design
    Robert LoCascio hat mit seiner Einschätzung durchaus Recht: Viele Webseiten sind sich in ihrem Layout unglaublich ähnlich – dabei gibt es unzählige Möglichkeiten der eigenen Homepage ein spannenderes und individuelleres Äußeres zu verpassen. Wer zu diesen Möglichkeiten mehr wissen möchte, kann gern mal hier klicken.

Unser Fazit zu diesem aus unserer Sicht nur vermeintlichen Trend fällt mehr als deutlich aus: Ja, die klassische Webseite hat durchaus nicht wegzudiskutierende Probleme. Diese können aber von verschiedenen Seiten her angegangen und gelöst werden. Und angebliche Alternativen sind nachweislich kein wirklicher Ersatz. Wir halten also fest: Wer an den oben genannten Stellschrauben dreht, hat mit einer eigenen Website auch in Zukunft einen modernen, starken und unverzichtbaren Kommunikationsbaustein, der das Unternehmen im Netz fest verankert.

Übrigens und um den Kreis zu schließen: Wir befinden uns aktuell im November 2018. Von einem „Website-Shutdown einer großen Marke“, wie ihn Robert LoCascio prophezeite, haben wir noch nichts gehört. Im Hinblick auf unsere Trend-Prognose überrascht uns das herzlich wenig.

Unsere Trendenz:

 

Quellen: yext.de, techcrunch.com, lahr-eigen.de, liveperson.com, welt.de, it-daily.net
 

Weitersagen



Weitere Beiträge zum Thema