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Weniger Schein, mehr Sein!

Immer wieder werden Diskussionen von Teilnehmern gewonnen, die eigentlich gar nicht Recht haben. Dank gut eingesetzter Scheinargumente. Wir stellen die TOP 5 vor – inklusive Entwaffnungs­strategien.

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– TOPografie –
23.04.2021
Weniger Schein, mehr Sein!
Immer wieder werden Diskussionen von Teilnehmern gewonnen, die eigentlich gar nicht Recht haben. Dank gut eingesetzter Scheinargumente. Wir stellen die TOP 5 vor – inklusive Entwaffnungs­strategien.

Callum: „Kein Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei.“
Douglas: „Aber mein Onkel Angus ist Schotte, und er streut sehr wohl Zucker auf seinen Haferbrei.“
Callum: „Kein wahrer Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei!“

Was du eben gelesen hast, ist die sogenannte „No True Scotsman Fallacy“. Es handelt sich nicht um ein reales Gespräch, sondern um ein Argumentationsmodell. Zugegeben, es klingt erstmal an den Haaren herbeigezogen. So argumentiert ja keiner! Denkt man. Tatsächlich begegnen uns aber sogar ziemlich häufig Fehlschlüsse und Scheinargumente – in Alltagsdiskussionen wie in offizielleren Debatten. Damit dich diese nicht mehr auf die Palme bringen, sondern vielleicht sogar zum Schmunzeln, stellen wir dir unsere TOP 5 der nervigsten Scheinargumente vor. In diesen Zeiten von Pandemie und Panik, Diskussionen mit selbsternannten Querdenkern und dem klaren Trend zum andauernden Hinterfragen von Meinungen und Maßnahmen kann so ein Grundkurs in (Schein-)Argumentationslehre nicht schaden.

Hier kommen die TOP 5 Scheinargumente, von denen du dich nicht reinlegen lassen solltest:

# 5 Das „ARGUMENTUM AD POPULUM“
Diese Argumentationsstruktur beruft sich auf den „gesunden Menschenverstand“ und nimmt die Meinung einer Mehrheit als automatisch richtig an.

Beispiel:
„Die meisten hier denken, dass das Leben ab 30 quasi vorbei ist. Du solltest also nicht mehr allzu viel erwarten.“

Anstatt es einfach hinzunehmen, wenn jemand eine Diskussion auf diese Weise dominiert, könnt ihr zum Beispiel direkt darauf hinweisen, dass eine Mehrheitsmeinung nicht automatisch richtig sein muss. „Was die meisten hier denken, bestimmt nicht, was richtig und falsch ist. Meinungen und Fakten sind zwei Paar Schuhe.“

Erschwerend kommt noch hinzu: Oftmals sind solche „Mehrheitsmeinungen“ überhaupt nicht belegt oder existieren nur gefühlt (Das wird häufig von populistischen Parteien oder Organisationen ausgenutzt, wenn sie sich zum Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“ hochstilisieren).

# 4 Das „ARGUMENTUM AD NAUSEAM“
Hier handelt es sich um ein besonders schönes Exemplar der Scheinargumente: Ein Standpunkt wird so lange wiederholt, bis niemand mehr Widerstand leistet. (ad nauseam, dt.: bis zur Übelkeit)

Ein berühmtes Beispiel aus der Antike:
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“ (dt.: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss“, Cato d. Ä. am Ende jeder Senatsrede)

Das Problem: Eine Aussage wird offensichtlich nicht einfach dadurch richtig, dass man sie oft genug wiederholt. Trotzdem brennen sich oft wiederholte Worte in unser Gedächtnis ein und beeinflussen so unser Denken. Was sich so betrachtet ein wenig nach Gehirnwäsche anhört, wird in milderer Form durchaus wirkungsvoll bei Werbeclaims verwendet.

Anstatt dir also in der nächsten Diskussion die gleiche Aussage noch x-Mal anzuhören, sag doch einfach: „Jetzt hast du dich schon zum tausendsten Mal wiederholt und immer noch nicht recht.“

# 3 Das „NON SEQUITUR“
Ein weiteres sehr beliebtes Scheinargument ist schlicht und ergreifend der Fehlschluss: Eine Schlussfolgerung ergibt sich in dem Fall nicht nachvollziehbar aus dem Argument. (non sequitur, dt: Es folgt nicht.) Das kann entweder gezielt geschehen oder eben auch durch logische Denkfehler.

Beispiel:
„Ein Mensch ist sterblich.
Knut der Eisbär ist sterblich.
Also ist Knut ein Mensch.“

Hier wird eine falsche Schlussfolgerung aus zwei eigentlich wahren Aussagen gezogen. Was in diesem Beispiel sehr banal aussieht, kann bei komplexer aufgebauten Argumenten durchaus mal unbemerkt bleiben. Daher lohnt es sich, genau aufzupassen und gegebenenfalls Einspruch zu erheben, á la „Deine Schlussfolgerung klingt zwar wunderbar, aber leider lässt sie sich überhaupt nicht von deinen Argumenten ableiten.“

# 2 Das Strohmann-Argument
Dabei handelt es sich um die Verzerrung eines gültigen Arguments, sodass es falsch erscheint. Solche rhetorischen Mittel werden häufig angewendet, wenn einer stichhaltigen Argumentation oder Aussage auf logischer Ebene nicht beizukommen ist.

Beispiel:
Hilfswissenschaftler: „Die Klausuraufgaben waren sehr viel schwieriger als wir dachten. Ich denke, wir sollten denjenigen Studenten, die alles lösen konnten, Extrapunkte geben.“

Professor: „Darf es sonst noch was sein?  Wenn wir jedem Studenten grundlos gute Zensuren geben, strengt sich in Zukunft ja gar keiner mehr an!“

Solche Argumentationsversuche entlarven sich in der Regel selbst und dürfen durchaus hinterfragt werden. Zum Beispiel mit einem sachlichen „Du hast mich offensichtlich nicht verstanden. Ich erkläre dir mein Argument einfach noch einmal. Und falls dir etwas unklar sein sollte, frag ruhig.“ Oder wer es etwas trockener mag: „Möchtest du eine Diskussion führen oder einfach nur witzig sein?“

# 1 Das „ARGUMENTUM AD HOMINEM“
Eines der häufigsten Scheinargumente ist gleichzeitig eines der plumpesten. Das argumentum ad hominem (an den Menschen) besteht darin, den Diskussionsgegner persönlich anzugreifen. Selbst wenn das noch so subtil geschieht, ist das natürlich kein gültiges Argument. Oft wird hierbei auf frühere Taten oder Äußerungen eines Diskussionsgegners zurückgegriffen, um ihn zu diffamieren – oder sogar auf Umstände, für die er nichts kann.

Beispiel:
„Du prangerst hier die Folgen der Massentierhaltung an, und selber grillst du dann am Wochenende ein schönes Steak! Deine Argumente kann ich hier also nicht ernst nehmen.“

Es mag durchaus sein, dass in diesem Beispiel ein bestimmtes Verhalten zurecht kritisiert wird – allerdings ändert die persönliche Inkonsequenz des Angesprochenen faktisch nichts an den von ihm angeprangerten Folgen der Massentierhaltung.

Zu solchen Scheinargumenten hat schon Schopenhauer als Gegenstrategie das sachliche Widerlegen empfohlen, anstatt sich auf dieselbe niedrige Ebene des persönlichen Angriffs zu begeben. Wer gerne deeskalierend kommuniziert, könnte beispielsweise entgegnen: „Es ist schade, dass du versuchst, mich anzugreifen, anstatt dich sachlich mit meinem Argument auseinanderzusetzen. Meines Wissens ist mein Argument richtig – und zwar unabhängig von mir als Person. Wir können weitersprechen, wenn du ein sachliches Gegenargument gefunden hast“

Ob nun ad hominem oder No-true-Scotsman-Fallacy – man muss Scheinargumente oder Fehlschlüsse nicht einfach so stehen lassen. Mit diesem Basiskurs kannst du nun so manches ungültige Argument entlarven und direkt ansprechen. Viel Spaß beim Diskutieren!

Quelle: homepage.univie.ac.at

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