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Ein Preis für das Eckige aus dem Runden

Wissenschaftler bleiben stets im akademischen Elfenbeinturm unter sich? Dass es auch anders geht, beweist der Ig-Nobelpreis – ein Paradebeispiel gelungener Kommunikation eher anspruchsvoller Themen.

© Julian Peters Photos/stock.adobe.com
– K-Teilchen –
28. November 2019
Ein Preis für das Eckige aus dem Runden
Wissenschaftler bleiben stets im akademischen Elfenbeinturm unter sich? Dass es auch anders geht, beweist der Ig-Nobelpreis – ein Paradebeispiel gelungener Kommunikation eher anspruchsvoller Themen.

Der Ig-Nobelpreis (ignoble = unvornehm) stellt Forschungsergebnisse ins Rampenlicht, von denen man ansonsten vermutlich nie etwas gehört hätte. Zum Beispiel, wieso Wombat‑Kot eckig ist oder wie viel Speichel der Mensch an einem Tag produziert. Was diese Fragestellungen verbindet ist, dass sie auf den ersten Blick bizarr wirken, aber doch hoch relevant für Wirtschaft und Fortschritt sind. Wer sich solchen Themen widmet, wird seit 1991 mit etwas Glück in einer feierlichen, aber definitiv nicht altehrwürdigen Zeremonie geehrt. Für ordentlich Stimmung sorgt dabei, wenn der personifizierte menschliche Fehler – ein Mann mit Zielscheibe vor dem Bauch – mit Papierflugzeugen beworfen wird und ein kleines Mädchen die Preisträger bei ihren Dankesreden nach exakt 60 Sekunden lauthals (und beharrlich!) auffordert, doch endlich zum Ende zu kommen. Ein Spektakel, das in seiner Einzigartigkeit mittlerweile auf viel Resonanz stößt und Fans auf der ganzen Welt in seinen Bann zieht.

Doch es ist nicht allein dieses Spektakel, das den Ig‑Nobelpreis so erfolgreich macht. Denn bei allem Spaß verfolgt sein Erfinder, Marc Abrahams, ein ernstes Ziel: Das Format soll einen alternativen Zugang zur heutigen Wissenschaft bieten und auf die Relevanz aufmerksam machen, die selbst scheinbar skurrile Forschung haben kann. Dass die Zuschauer darüber lachen ist ein Mittel zum Zweck. Denn so bleiben die Themen auf besondere Weise im Kopf – was dann dafür sorgt, dass man sich fragt, wieso Forscher sich mit einem solchen Thema beschäftigen. Wieso dieses Format so hervorragend funktioniert, ist letztlich eine kommunikative Fragestellung. Wir wollen im Folgenden die Erfolgsmechanismen aufschlüsseln.

Vereinfachung schafft Verstehen
In der Darstellung der Forschung reduziert der Ig‑Nobelpreis die jeweiligen Themen auf ihren Kern. Ein hartes Stück Arbeit, wie der Erfinder zugibt. Ablenkende Detailinfos zu den Experimenten werden aussortiert und die zentrale Botschaft, über die wir erst lachen und dann nachdenken sollen, sticht prägnant heraus. Beispielsweise, wenn ein Forscher wie Fritz Strack dafür geehrt wird, dass er sich selbst widerlegt. Denn wie ihm geht es unzähligen Psychologen, wenn sich einmal gemachte Ergebnisse sozialer Experimente unerklärlicherweise nicht wiederholen lassen – ein komplexes Dilemma durch das Zusammenspiel unzähliger Faktoren. Die Zuspitzung auf das nackte Endergebnis erlaubt es jedoch auch Menschen, die nicht vom Fach sind, das komplexe Problem zu erfassen und zu verstehen.

Verkürzung verhindert Überforderung
Gleichzeitig schafft diese Reduktion eine Verkürzung der präsentierten Themen, sodass sie nicht nur leicht, sondern auch schnell zu verstehen sind. So wird Forschung, die sonst ganze Bücher füllt, einer breiten Masse zugänglich gemacht, ohne mit zu vielen Informationen zu überfrachten – beispielsweise, indem das Replikationsdilemma der Psychologie auf eine Ballade verkürzt wird, die in nur 60 Sekunden vorgetragen werden kann. Denn in einer Zeit, in der Menschen scheinbar chronisch unter Zeitnot stehen, ist es essenziell, schnell zum Punkt zu kommen.

Schauwert generiert Aufmerksamkeit
Wichtig ist außerdem, für Interesse und Aufmerksamkeit zu sorgen. Dies gelingt beim Ig‑Nobelpreis durch das Setzen einzigartiger Themen und durch die wunderbar verschrobenen Traditionen (wie das Papierflieger-Werfen) fast von selbst. Dass regelmäßig auch echte Nobelpreisträger den Ig‑Nobelpreis überreichen, sorgt für zusätzlichen Schub und adelt die Veranstaltung gleichzeitig. Diese Anerkennung der Auszeichnung durch die akademische Gemeinschaft zeigt, dass es sich nicht um ein spöttisches Ausstellen ungewöhnlicher Forschung handelt, sondern um ein neues Format, ernsthafte Wissenschaft zu präsentieren.

Humor macht Themen zugänglicher
Mit dem augenzwinkernden Feiern der Wissenschaft in all ihren Facetten – den Erfolgreichen und mitunter auch den Gescheiterten – macht der Ig‑Nobelpreis Laien Themen schmackhaft, denen sie sonst womöglich aus dem Weg gehen würden. Denn Humor bietet Information, verpackt in Unterhaltung. Das trifft geschickt den Nerv von Wissenschaftlern und von Laien. So entsteht ein neues Kommunikationsformat, das sich wie von selbst multipliziert – indem Medien und Kommunikationsschaffende weltweit darüber berichten.

Der Ig-Nobelpreis ist damit ein gelungenes Stück (Wissenschafts-)Kommunikation, von dem wir auch für unser Tagwerk sicher immer mal wieder die eine oder andere Scheibe Inspiration abschneiden können.

Quellen: zeit.de, spiegel.de, forschung-und-lehre.de
 

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