Start – K-Teilchen –   Eine Wissenschaft für sich

Eine Wissenschaft für sich

In Tübingen wurde jetzt eine bislang unbekannte Dino-Art identifiziert. Ihre Benennung als Tuebingosaurus maierfritzorum hat uns zu einer kleinen Abhandlung über das Thema Branding inspiriert.

© Gorodenkoff/stock.adobe.com
– K-TEILCHEN –
04.10.2022
Eine Wissenschaft für sich
In Tübingen wurde jetzt eine bislang unbekannte Dino-Art identifiziert. Ihre Benennung als Tuebingosaurus maierfritzorum hat uns zu einer kleinen Abhandlung über das Thema Branding inspiriert.

Warum die Dinosaurier tatsächlich ausgestorben sind, da scheiden sich die Geister. Eine der heißesten Theorien ist ein großer Meteoriteneinschlag. Was wir als Ursache aber definitiv ausschließen können, ist eine missglückte Namensgebung – die zudem ja auch noch posthum erfolgte. Ganz anders als im hart umkämpften Wirtschaftsdschungel: Hier kann ein passender Markenname überlebenswichtig sein! Er ist Teil des Brandings, also dem gezielten Aufbau und Pflegen einer Marke, die der Kunde mit bestimmten Werten und Botschaften assoziiert und die ihm so im Gedächtnis bleibt. Worauf es dabei ankommt, zeigt uns der Vergleich mit den Dinos aber durchaus. 

Ingmar Werneburg (links) und Kollege Omar Rafael Regalado Fernandez (rechts) mit einem Oberschenkel des Tuebingosaurus maierfritzorum
Ingmar Werneburg (links) und Kollege Omar Rafael Regalado Fernandez (rechts) mit einem Oberschenkel des Tuebingosaurus maierfritzorum. Foto: Valentin Marquardt, Universität Tübingen

Der Schwaben-Lindwurm: eine „Marke“ für sich
Unterm Strich entsteht eine Marke aus der Summe aller Eigenschaften und Merkmale, die ein Unternehmen, ein Produkt oder auch einen Service besonders ausmachen. Eine gute Marke bietet dabei Differenzierung und Alleinstellung, unterscheidet sich also von anderen Unternehmen, Produkten und Services. In etwa so, wie eine Tierart sich durch bestimmte Merkmale von einer anderen unterscheidet. Nehmen wir zum Beispiel den Tuebingosaurus maierfritzorum, auch als Schwaben-Lindwurm bekannt. Ingmar Werneburg, Biologe an der Uni Tübingen, war beim Durchforsten der Paläontologischen Sammlung erst kürzlich auf Knochenfunde dieser Spezies gestoßen. Gemeinsam mit einem Kollegen hat er die schon vor über 100 Jahren ausgegrabenen Fossilien neu untersucht und festgestellt, dass Hüft- und Oberschenkelknochen auf eine Fortbewegung auf vier Beinen hindeuten. Damit gehört der Schwaben-Dino also nicht, wie bisher angenommen, zur Familie der Plateosaurier, sondern vermutlich zu einer ganz eigenen, bisher noch nicht beschrieben Dinosaurierart.

Für die Forschung sind das Beschreiben, Einordnen und Bennen bestimmter Gruppen essenziell. So hat nun auch der Tuebingosaurus seinen Platz im Stammbaum gefunden. Ob das dem seligen Dino selbst wichtig ist, können wir nicht sagen. Der gleiche Prozess dürfte aber für quicklebendige Firmen von großer Bedeutung sein. Denn ähnlich ist es bei der Markenbildung. Auch hier geht es zunächst darum, einzuordnen und zu beschreiben – im relevanten Wettbewerbsumfeld zu positionieren. Damit die jeweilige Zielgruppe direkt weiß, was sie bekommt. Ein wichtiger Baustein dabei ist ein starker Markenname.

Schwarzwälder Schinken versus Tübinger Dino
Der Tuebingosaurus maierfritzorum verdankt seinen „Vornamen“, also die Gattung, unserem schönen Tübingen. Denn hier am Senckenberg-Zentrum für Humanevolution und Paläoökologie werden seit 1922 seine Knochen aufbewahrt. Sein Name lässt also Rückschlüsse auf seine Heimat zu. Dieses Prinzip der Herkunftsbezeichnung kann auch bei der Markenbildung durchaus Erfolg versprechen, denkt man zum Beispiel an Champagner, Schwarzwälder Schinken oder Thüringer Rostbratwurst. Hier hat der Kunde sofort eine Verbindung zum Produkt und seiner besonderen Herkunft und bekommt so ein gewisses Qualitätsversprechen. Der Casus knacksus dabei ist, dass auch Schwarzwälder Schinken nicht gleich Schwarzwälder Schinken ist.

Auf der Suche nach weiteren Alleinstellungsmerkmalen hilft uns wieder unser Tübinger Dino. Sein Artname, also maierfritzorum, wurde zu Ehren des Tübinger Zoologen Wolfgang Maier und des Dresdner Schildkrötenexperten Uwe Fritz gewählt. Beide haben Werneburg in seiner Forschungsarbeit stark geprägt. Auch eine ganze Reihe von bekannten Marken gehen auf Personennamen zurück. Mal deutlicher erkennbar, wie bei Levi’s (nach dem aus Franken in die USA emigrierten Levi Strauss) – mal etwas versteckter wie bei HARIBO, das für Hans Riegel Bonn steht.

Fressen oder gefressen werden
Die Dinos haben früher nur ums Futter, weniger um ihren Platz im Stammbaum konkurriert. Ihre Namen müssen keine Aushängeschilder ihrer Vorzüge sein. Bei Marken dagegen geht es durchaus ums nackte Überleben. Denn die Marke mit höherem Wiedererkennungswert und Identifikationspotenzial hat deutlich bessere Überlebenschancen. Das ist letztlich auch eine Art fressen oder gefressen werden, denn nicht selten werden weniger erfolgreiche Marken von stärkeren Konkurrenten übernommen. Zu den stärkeren gehört zum Beispiel auch die prägnante amerikanische Marke FOSSIL. Ursprünglich auf Uhren spezialisiert, ist FOSSIL mittlerweile ein weltweit agierendes Unternehmen für verschiedenste Fashion-Accessoires und hat auf dem Weg dahin schon etliche andere Firmen, meist Uhrenmarken, übernommen.

Gezieltes Branding kann also helfen, nicht gefressen zu werden. Dabei ist nicht der Markenname allein ausschlaggebend. Es ist das Zusammenspiel aus Namen, Logo und Unternehmsauftritt, das eine Marke ausmacht. Gemeinsam transportieren sie Markenbotschaft und -versprechen, um die Alleinstellungsmerkmale von Unternehmen, Produkten oder Leistungen gegenüber der Konkurrenz herauszustellen und ihnen einen ganz persönlichen Stempel aufzudrücken. Daher kommt auch der Begriff Branding, zu Deutsch brandmarken. Denn Tieren wurde zur Kennzeichnung in der Viehzucht früher oft ein Brandzeichen aufgedrückt.

Bloß nicht versteinern
Beim Branding spielt auch der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Anders als (Dino-)Fossilien, deren Wert mit dem Alter steigt, darf eine Marke auf keinen Fall versteinern. Sondern muss durch gezielte Weiterentwicklung mit der Zeit gehen und gegebenenfalls auch mal einem teilweisen oder sogar kompletten Relaunch unterzogen werden. Dafür kann es viele Gründe geben: neue Produkte, Änderungen in der Unternehmensstruktur, gesellschaftliche Trends, verändertes Zielgruppenverhalten und vieles mehr. Nehmen wir zum Beispiel die Marke Ben’s Original. Der bekannte Anbieter von Reisprodukten hieß früher Uncle Ben’s und hatte das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes als Markenzeichen im Firmenlogo. Wegen Rassismusvorwürfen in die Kritik geraten, hat das Unternehmen seine Marke überarbeitet und Mann und Onkel gestrichen.

Bei erfolgreichem Branding geht es also nicht nur um die Schaffung von Wiedererkennungswerten, sondern auch um deren kontinuierliche Weiterentwicklung.  Eine enorme Herausforderung und eine echte Wissenschaft für sich in einer globalisierten Welt, in der jeder alles von überall bekommen kann: ob Handys aus China oder Autos aus Japan. Für den Tuebingosaurus war das noch unvorstellbar – sowohl die Autos als auch die Globalisierung. Er war vermutlich zufrieden mit seinem Herdendasein im Sumpf. Aber Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen, die unter vielen im Markensumpf feststecken, haben verloren. Damit das nicht passiert, bedarf es gezielter und professioneller Marketingmaßnahmen, die die Marke mit Bildern und Botschaften zum Aushängeschild einer Firma entwickeln und beim Kunden Vertrauen und Bindung schaffen. Damit Produkte und Leistungen bei der angesprochenen Zielgruppe landen und nicht beim Tuebingosaurus im Museum.

Zwei Wirbel und weitere Knochen des Tuebingosaurus maierfritzorum.
Zwei Wirbel und weitere Knochen des Tuebingosaurus maierfritzorum. Foto: Valentin Marquardt, Universität Tübingen
Zehenknochen Tuebingosaurus
Zwei Zehenknochen (Mitte) des Tuebingosaurus maierfritzorum in einer Vitrine des Württemberg-Saals. Foto: Valentin Marquardt, Universität Tübingen
Quellen: www.uni-tuebingen.de, www.spektrum.de, www.fuer-gruender.de, www.helder.design/rebranding/

Weitersagen



Weitere Beiträge zum Thema