Start – K-Teilchen –   Ich spreche was, was du nicht siehst

Ich spreche was, was du nicht siehst

Die Art und Weise, wie Delfine sich gegenseitig Informationen übermitteln und dabei aus Klängen Bilder entstehen, verblüfft aktuell die Fachwelt – und uns.

© homonstock / Fotolia.
– K-TEILCHEN –
09. Mai 2019
Ich spreche was, was du nicht siehst
Die Art und Weise, wie Delfine sich gegenseitig Informationen übermitteln und dabei aus Klängen Bilder entstehen, verblüfft aktuell die Fachwelt – und uns.

Lange wurde im Kontext der Tier-Sprachforschung versucht, Tieren unsere menschliche Sprache aufzuzwingen und beizubringen. Moderne Forschung wechselt allerdings immer häufiger die Perspektive und versucht nun, die individuellen Sprachsysteme der Tiere zu verstehen und zu erlernen.

Durch diese neue Herangehensweise gelang Wissenschaftlern vor einiger Zeit eine bahnbrechende Entdeckung, als sie die Kommunikation von Delfinen untersuchten. Dabei fokussierte sich das Forscherteam auf die Frage, auf welche Art Delfine mithilfe von Klick- und Pfeifgeräuschen Informationen aufnehmen, speichern und diese dann an Artgenossen übermitteln. Oder anders ausgedrückt: Was sehen Delfine, wenn sie hören?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurde bei einem ersten Experiment einem einzelnen Delfin ein quadratisches Objekt gezeigt. Indem das Tier Laute ausstieß, konnte es sich durch den zurückkehrenden Schall ein Bild von dem Quadrat machen. Delfine nutzen hier die sogenannte Echoortung, die beispielsweise auch bei Sonaren (sound navigation and ranging) auf Schiffen angewandt wird, um Gegenstände unter Wasser zu orten. Nachdem er das Objekt eingehend begutachtet hatte, kehrte der Delfin zu seiner Gruppe zurück – und begann sogleich zu kommunizieren. Die spannende Frage war nun: Was genau „erzählte“ der Delfin den übrigen, die das Objekt nicht gesehen hatten? Die Laute, die er gleich nach seiner Ankunft bei der Gruppe von sich gab, wurden mithilfe eines Hydrophons, auch Unterwassermikrophon genannt, aufgenommen.

Im nächsten Schritt des Experiments versuchten die Forscher nun etwas, was bis dato noch keiner getan hatte: Sie brachten ein sogenanntes CymaScope zum Einsatz. Einfach ausgedrückt macht dieses Gerät Klang sichtbar – und zwar nicht elektrisch in einfachen Sinus-Kurven oder ausschlagenden Balken. Beim CymaScope ist das Medium, auf dem der Klang sichtbar gemacht wird, eine feine Wasserschicht. Wenn Klang auf diese Membran trifft, vibriert die Oberfläche und bildet ein einzigartiges physisches, natürliches Muster aus: Aus Klang wird Bild.

Als die Forscher das Bild in der Computeranalyse betrachteten, staunten sie nicht schlecht. Das Bild, das sich durch die Laute des Delfins, die sie aufgenommen hatten, gebildet hatte, war ein Quadrat. Und bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Maße des Bildes exakt mit denen des tatsächlichen Objekts übereinstimmten. Als in einem zweiten Versuch einem anderen Delfin statt eines einfachen Quadrats ein Mensch gezeigt wurde, der seinen rechten Arm hoch hielt, zeigte das CymaScope-Bild klar die Silhouette eines Menschen, der seinen rechten Arm hoch hält.

Der Forscher John Stuart Reid fasst diese Entdeckungen wie folgt zusammen: „Wenn ein Delfin ein Objekt mit seinem hochfrequenten Klangstrahl untersucht, […] erzeugt er damit jeweils ein Standbild – fast wie bei einer Kamera, die ein Foto macht.“ Die Bildentwicklung findet beim Delfin durch die Aufnahme reflektierter Schallwellen im Unterkiefer statt. Von dort wird der Schall auf das Ohr übertragen, wo schlussendlich das Bild erzeugt wird. Dieses Bild können die Tiere dann an andere in der Gruppe weitergeben, wodurch letztere auf diese Weise ein ziemlich exaktes Bild von dem erhalten, was sie selbst gar nicht gesehen haben.

Für diesen Erkenntnisgewinn war neben der Nutzung neuer Technologien vor allem auch der eingangs beschriebene Perspektivwechsel zwischen Forscher und Tier ausschlaggebend: Mensch lernt Tiersprache, nicht umgekehrt. Für uns Kommunikationsschaffende gehört das Thema des Perspektivwechsels einerseits zum Alltag – und ist doch gleichzeitig eine hohe Kunst. Auf die Sprache und die Wahrnehmungssituation unserer Zielgruppen einzugehen und dabei stets den richtigen Ton zu treffen, das ist auch bei uns die Grundlage relevanter und effizienter Kommunikation.

Quelle: arte.tv, businessinsider.com, sein.de
 

Weitersagen



Weitere Beiträge zum Thema