Krieg der Sterne?

Eine aktuelle Studie zeigt: Wissenschaftliche Tester und Onlinekunden kommen häufig zu sehr unterschiedlichen Bewertungen bei selben Produkten. Wem solltest du also vertrauen? Der Masse oder den Experten?

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– Unser Senf dazu –
09.04.2020
Krieg der Sterne?
Eine aktuelle Studie zeigt: Wissenschaftliche Tester und Onlinekunden kommen häufig zu sehr unterschiedlichen Bewertungen bei selben Produkten. Wem solltest du also vertrauen? Der Masse oder den Experten?

Den Preis mal beiseitegelassen und ganz spontan: Woran orientierst du dich primär, wenn du Onlineshops nach einem bestimmten Produkt durchsuchst? Wenn du direkt an Produkt – Bewertungen gedacht hast, liegst du klar im Trend – wie eine Studie der US – amerikanischen Northwestern University zeigt: „[…] direkt nach dem Kaufpreis sind Bewertungen und Rezensionen die Top – Faktoren, die Kaufentscheidungen am stärksten beeinflussen.“

Grundsätzlich können Bewertungen und Rezensionen aus unterschiedlichen Quellen stammen: zum einen von privaten Nutzern und zum anderen von wissenschaftlich arbeitenden Verbraucher – Organisationen wie der Stiftung Warentest. Schauen wir uns beide Seiten einmal genauer an …

Die Kontrahenten

Werfen wir zunächst einen Blick auf persönliche Bewertungen von Kunden, die sowohl durch Kommentare als auch durch einfaches Rating stattfinden. Bei den Ratings haben sich bekanntermaßen meistens fünf Sterne als intuitive Skala durchgesetzt: Fünf Sterne erstrahlen bei einem Top – Produkt, ein Stern bedeutet für das jeweilige Produkt das, was der Todesstern für die Galaxis bedeutete. Der Vorteil dieser Bewertungsart liegt auf der Hand: Interessierte erhalten ein schnelles, transparentes und ein meist auf breitem Fundament ruhendes Bild der Qualität eines Produkts.

Diesen persönlichen Bewertungen „vom Volk für das Volk“ gegenüber stehen institutionalisierte Bewertungen. Wie bereits zu Beginn erwähnt, handelt es sich dabei meist um Verbraucher – Organisationen wie die Stiftung Warentest, die Produkte wissenschaftlich untersuchen und dann eine möglichst neutrale und exakte Bewertung abgeben. Auch diese sind dann in Form einer Gesamtnote intuitiv und klar für Verbraucher einsehbar.

Der Stein des Anstoßes

So weit zu den Kontrahenten. Wären sich beide nun in den meisten Bewertungs – Fällen einig, wäre die Frage „Wem sollte ich mehr vertrauen?“ nicht wirklich relevant. Eine Studie zeigt allerdings, dass die Bewertungs – Ergebnisse beider Seiten teilweise stark auseinander gehen: Die Schnittmenge aus Testsiegern der Stiftung Warentest und den durch Nutzer bestbewerteten Produkten auf der Plattform Amazon beträgt gerade mal ein Drittel. Der Grund: Beide Seiten bewerten teils völlig andere Eigenschaften: Verbraucher – Organisationen lassen beispielweise Kategorien wie „Wird das Produkt in der Regel pünktlich und unbeschädigt geliefert?“ komplett außen vor und konzentrieren sich vielmehr auf Eigenschaften, zu denen wiederum Verbraucher im Normalfall gar keine Aussagen treffen können – beispielsweise zum ökologischen Fußabdruck eines Produkts.

Machen wir es konkret: Du möchtest einen Laptop kaufen. Laut Nutzerbewertungen auf Amazon hat Laptop A klar die Nase vorn. Bei Stiftung Warentest schneidet A dagegen eher mittelmäßig ab, wogegen hier Laptop B zum Testsieger deklariert wird. Wem vertraust du nun? Gut möglich, dass du denkst: „Die Experten werden schon recht haben, also nehme ich Laptop B.“ Aber bist du dir sicher? Können tausende Käufer, die klar für Produkt A sind, sich täuschen? Interessanterweise haben diverse Studien mittlerweile herausgefunden, dass uns Nutzerbewertungen vor allem unterbewusst sehr stark beeinflussen und wir ihnen „wie Empfehlungen von Freunden und der Familie vertrauen“. Es ist also an dieser Stelle völlig normal, wenn du eine gewisse Unsicherheit ob deiner Entscheidung verspürst.

Und was jetzt?

In solchen Situationen hilft es immer sehr, den Blick über den Tellerrand zu heben. Und in diesem Fall heißt das, sich bewusst zu machen, welche Faktoren bei der Produktbewertung eine Rolle spielen und was dir beide Seiten jeweils bieten können beziehungsweise was davon für dich relevant ist.

Bewertung der Bewertung: die entscheidenden Faktoren

  1. „Intelligenz der Masse“ vs. „Expertise einzelner Wissenschaftler“
    Bei diesem Faktor geht es weniger um Glauben, sondern vielmehr um eine grundsätzliche Typfrage: Wenn tausend Menschen nach links gehen und ein einzelner Experte sagt: „Gehe besser nach rechts“ – was würdest du tun? Folgst du der Intelligenz der Masse oder der wissenschaftlichen Expertise? Interessant ist: Statistisch gesehen hat die Hälfte aller Onlineprodukte weniger als 50 Bewertungen – deshalb sei zumindest kritisch angemerkt, ob in diesen Fällen wirklich ein Massenintelligenz – Effekt greift.
  2. „Wissenschaftliche Methodik“ vs. „Alltagserfahrung“
    Organisationen wie die Stiftung Warentest haben eine klare Methodik, die bei jedem Produkttest immer gleich greift – und so für Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit sorgt. Die Bewertungsmuster von Nutzern sind dagegen völlig heterogen. So ist es durchaus möglich, dass sich bei einem Produkt der Großteil der Bewertungen um Lieferzeiten dreht – bei einem anderen wiederum hauptsächlich um Gewicht und Transportfähigkeit. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Meinung von Kunden eben nicht im Labor entsteht, sondern im ganz normalen Alltag – was viel eher deiner Realität entspricht und daher ebenso hilfreiche Ergebnisse liefern kann.
  3. „Nüchternheit“ vs. „Emotionalität“
    Zu guter Letzt werfen wir einen Blick auf die Faktoren Nüchternheit und Emotionalität. Grundsätzlich sollten wir davon ausgehen, dass die emotionale Involviertheit von Wissenschaftlern während der Tests gegen Null tendiert. Das ist gut für eine möglichst objektive Bewertung. Bei Kundenbewertungen ist es das exakte Gegenteil, denn diese werden zumeist in positiven oder negativen Extremfällen abgegeben – es gibt kaum Bewertungen im Mittelmaß. Gerade aus diesen Extremmeinungen können Interessierte allerdings wertvolle Informationen ziehen – zum Beispiel wenn die Saugleistung eines neuen Staubsaugers im Worst Case einem Chihuahua gefährlich werden kann.

Unser Senf dazu – unser Fazit

Wem sollst du also vertrauen? Unsere klare Antwort: dir selbst. Denn für uns haben beide Seiten entscheidende Argumente – es kommt eben nur auf deine individuellen Präferenzen an. Wir empfehlen also klar, die Vorteile beider Bewertungs – Quellen zu nutzen, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Ausnahmen sind natürlich Artikel wie Büroklammern: Eine lange Bewertungs – Recherche wäre an dieser Stelle sicherlich … auszuklammern.


Quellen: researchgate.net; test.de; weser-kurier.de; hbr.org; northwestern.edu; wiwo.de

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