Hamburg ist Drehscheibe für Chemie‑Plagiate

Illegale Pflanzenschutzmittel werden massenhaft über den Hamburger Hafen nach Europa geschmuggelt. Hinter diesem gefährlichen Piraterie‑Schmuggel steht laut Polizei die organisierte Kriminalität.

Zwölf Container mit rund 200 Tonnen illegaler Pflanzenschutzmittel zogen Fahnder im Hamburger Hafen allein in den letzten zwölf Monaten aus dem Verkehr – der Marktwert dürfte bei rund 15 Millionen Euro liegen. In Deutschlands größtem Hafen ist das Problem mit gefälschten Pflanzenschutzmitteln seit langem bekannt. Als Hauptgrund gilt die enge Anbindung des Hafens an China – oft werden die gefälschten Chemikalien in Südostasien zusammengemixt, um dann über Hamburg in ganz Europa verteilt zu werden. Die Hintermänner dieses illegalen Handels mit hochtoxischen Chemie-Cocktails dürften dabei laut Europol in der organisierten Kriminalität zu finden sein. Bereits 2012 warnte die europäische Polizeibehörde, dass dieses Geschäft zu einer der am schnellsten wachsenden Branchen der organisierten Kriminalität in Europa geworden ist.

Für die Fälscher ist der Handel hochgradig lukrativ. „Im Herstellungsland kann man gefälschte Pflanzenschutzmittel für 200.000 Dollar erwerben, die in der EU als Originalprodukt einen Marktwert von zwei Millionen Euro haben“, erklärt Gregor Hilfert vom Pflanzenschutzamt Hamburg gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Die gefälschten Pflanzenschutzmittel, die auf Seecontainern in die Hansestadt verschifft werden, werden an Abnehmer in ganz Europa verkauft. Oftmals handelt es sich dabei lediglich um Briefkastenfirmen; das Vertriebssystem zum Endkunden umfasst dann mehrere Ebenen und erinnert an das Netz von Drogenschmugglern.

Auch als Reaktion auf den illegalen Handel mit Pflanzenschutzmitteln verschärfte die Bundesregierung 2012 mit einer Neuregelung des Pflanzenschutzgesetzes die Strafen. Allerdings bleibt der illegale Handel für die Täter meist relativ gefahrlos – in einigen Ländern gilt der illegale Handel mit Pflanzenschutzmitteln nur als Ordnungswidrigkeit. Negative Konsequenzen drohen dagegen Landwirten, wenn sie mit gefälschten Chemikalien behandelte Ernteprodukte nicht vermarkten können, sowie vor allem Mensch, Tier und Umwelt insgesamt. Gefährlich sind dabei weniger die eigentlichen Wirkmittel als vielmehr Beistoffe wie etwa Lösungsmittel, die bei den Fälschungen gegen billigere Stoffe ausgetauscht werden – als Ergebnis können giftige Stoffe in der Nahrungskette landen. Zudem dient der illegale Handel mit Pflanzenschutzmitteln auch dazu, die Nachfrage nach hochgefährlichen, nicht mehr zugelassen Stoffen zu bedienen, wie zum Beispiel im Fall des Mittels E605, auch bekannt als „Schwiegermuttergift“. Der Stoff, der auch im Giftgas Sarin Verwendung findet, ist in der EU seit 2002 verboten.

Quellen: Bundesregierung, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Hamburger Abendblatt

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