Diebesgut wird zur Blaupause für Tausende Medikamentenplagiate

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Aus Krankenhäusern entwendete Arzneimittel dienten Fälschern als Grundlage zur Herstellung zahlreicher Medikamenten-Plagiate, die in europäische Märkte eingeschleust wurden. Behörden reagieren nun mit umfangreichen Rückrufaktionen.

Über Großhändler und Parallelimporteure gelangten jetzt Tausende gefälschte Präparate des Roche‑Krebsmittels Herceptin nach Deutschland. Als Grundlage für die Produktion der täuschend echt aussehenden Plagiate nutzten die Fälscher wahrscheinlich Original-Produkte, die in Italien in Krankenhäusern und auf dem Lieferweg gestohlen wurden. Erkenntnissen italienischer Fahnder zufolge soll neben osteuropäischen Verbrechernetzwerken auch die Mafia-Organisation Camorra zum Fälscherring gehören. Inzwischen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bekanntgegeben, dass offenbar auch weitere Medikamente anderer Pharmakonzerne betroffen sind. So wurden auch einzelne Chargen des Lungenkrebsmittels Alimta und des Hormonpräparats Humatrope gefälscht.

Die plagiierten Herceptin-Durchstechfläschchen wurden vor allem nach Deutschland, Schweden, Finnland, Großbritannien und Österreich geliefert. Auf die Fälschungen aufmerksam wurde ein britischer Großhändler, der Unregelmäßigkeiten an den Verpackungen feststellte. Infolgedessen waren die zuständigen Behörden, darunter die europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen, gezwungen, europaweit über 30 Chargen mutmaßlich gefälschten Herceptins vorsorglich zurückzurufen. In Krankenhäusern oder Arztpraxen seien bisher keine Plagiate aufgetaucht, erklärt das PEI. Auch lägen dem Institut bisher keine Berichte über Gesundheitsschädigungen von Patienten vor.

Zu erkennen sind die Fälschungen nur sehr schwer, da die Plagiatoren echte Chargennummern verwendeten. Mögliche Hinweise auf Fälschungen können voneinander abweichende Verfallsdaten auf Verpackung und Fläschchen, eine italienische Beschriftung oder Manipulationen am Verschluss sein. Das Medikament Herceptin wird für an Brustkrebs oder Magenkrebs erkrankte Patienten verwendet und ist somit überlebenswichtig für die Empfänger. Plagiate mit abgeschwächten, verunreinigten oder falschen Inhaltsstoffen können für die Patienten lebensbedrohlich sein. Für die Fälscher dagegen sind die Mittel ein lukratives Ziel, da für eines der betroffenen Fläschchen Herceptin in Großbritannien etwa umgerechnet knapp 500 Euro berechnet werden. Krebsmedikamente des Schweizer Konzerns Roche standen bereits früher im Fokus von Fälschern (wir berichteten).

Quellen: Paul-Ehrlich-Institut, PZ, Tagesspiegel, Wallstreet-Online

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