EUIPO-Studie zeichnet umfassendes Bild von Piraterie in der EU

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Rund 60 Milliarden Euro Verlust jährlich durch Piraterie, und das allein in 13 zentralen Wirtschaftsbranchen – so die erschreckende Einschätzung einer neuen Studie des EUIPO. Besondere Sorgen machen sich die Experten allerdings auch über aktuelle Trends und neue Geschäftsmodelle der Fälscher.

In den vergangenen fünf Jahren erfassten mehrere Studien des EUIPO (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum) den Schaden durch den Handel mit Fälschungen in der EU – jeweils getrennt für verschiedene Wirtschaftszweige, die besonders anfällig für Piraterie sind. Eine neue Analyse erlaubt nun erstmals übergreifende Einblicke in die jahrelange Forschungsarbeit und kombiniert die Ergebnisse aus Branchen wie Kosmetik, Bekleidung, Sportartikel, Spielzeug, Schmuck sowie Spirituosen und Wein, Pharma, oder etwa Smartphones.

Den Ergebnissen des EUIPO zufolge kosten Produkt- und Markenpiraterie diesen Branchen insgesamt rund 60 Milliarden Euro bzw. 7,5 % ihres Umsatzes pro Jahr. Zusätzlich werden schätzungsweise 434.000 Arbeitsplätze jährlich zerstört.

Besorgniserregend ist für das EUIPO insbesondere auch die Diversifizierung der Fälschungen sowie die immer ausgereifteren Geschäftsmodelle der Fälscher. So konzentrieren sich viele Fälscher nicht mehr nur auf hochpreisige Güter, sondern kopieren vermehrt günstige Alltagsprodukte, wie zum Beispiel Waschmittel oder Shampoo. Zudem bleibt die Herausforderung, dass Piraten statt ganzer Produkte verstärkt gewinnträchtige Komponenten und Ersatzteile nachmachen.

Nicht zuletzt macht auch der Trend Sorge, dass Fälschungen zunehmend in der EU gefertigt oder fertiggestellt würden. So entdecken Zollfahnder an den EU-Grenzen immer wieder Sendungen verdächtiger Waren, auf denen noch keine Markenlabels angebracht sind. Fälscher hoffen so, ihre Importe ohne Probleme durch eventuelle Zollkontrollen zu bringen. Auch nachgemachte leere Verpackungsmaterialien werden verstärkt importiert – etwa leere Flaschen mit Labels hochpreisiger Weine. Innerhalb der EU stellen die Fälscher dann die fertigen Plagiate her, indem sie die Markennamen auf den vermeintlichen No-Name-Produkten anbringen oder die leeren Verpackungen verkaufsfertig befüllen. Alles in allen deutet dies für das EUIPO darauf hin, dass die Zahl der Fälscherwerkstätten innerhalb der EU deutlich höher ist als bislang vermutet.

Einen erheblichen Schub erfährt der Handel mit Plagiaten weiterhin auch durch das Internet und die Anonymität und rechtlichen Grauzonen, die es bietet, so der Bericht. Besonders auf Online-Handelsplattformen und in sozialen Medien boomt der Verkauf von illegalen Imitaten. Wirtschaftsvertreter reagieren besorgt: Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes, fordert klare Richtlinien für Mittelsmänner im Internet. „Die verbindliche Einführung von Sorgfaltspflichten, die für stationäre Händler gelebte Praxis sind, ist für die Onlinemarktplatzbetreiber sofort umsetzbar. Das würde Verbraucher schützen und Arbeitsplätze erhalten“, so Köhler.

Aufgrund der hohen Margen und niedrigen Risiken, die mit Produktpiraterie verbunden sind, bleibt von einer weiteren Zunahme von Fälschungen auszugehen. Der EUIPO-Report warnt zudem vor der Verbreitung neuer Fertigungstechnologien, die die Produktion für Fälscher vereinfachen und vergünstigen, sowie neue Transport- und Verkaufswege, wie etwa den unbemerkten Import von Fälschungen im Schienenverkehr.

Mit dem Bericht möchte das EUIPO ein kohärentes Bild zu IP-Rechtsverletzungen in der EU vermitteln und mögliche Ansatzpunkte aufzeigen. So sei „erstmals ein umfassendes Bild der wirtschaftlichen Folgen von betrügerischer Nachahmung und Produktpiraterie für die Wirtschaft […] in der EU entstanden“, erklärt António Campinos, Exekutivdirektor des EUIPO. Die Ergebnisse sollen deutlich machen, dass am „Schaden, der durch die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums hervorgerufen wird, kein Zweifel bestehen kann.“

Neben dem Hauptbericht Synthesis Report on IPR Infringement 2018 des EUIPO ist auf den Seiten der Behörde auch eine Übersicht mit Ergebnissen speziell für Deutschland verfügbar.

Quellen: EUIPO, Markenverband e. V., Securing Industry, World Trademark Review

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