Türkei: Massiver Anstieg von Fälschungsexporten

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Der starke Verfall der türkischen Lira begünstigt einen Boom von Fälschungen aus der Türkei. An den EU-Außengrenzen werden mittlerweile oftmals Plagiate aus der Türkei abgefangen, etwa Designerkleidung und Medikamente.

Durch den rapiden Wertverlust der türkischen Lira und die Verschlechterung der Wirtschaftslage in der Türkei werde ein Boom im Export von illegalen Nachahmungen befeuert, wie eine aktuelle Recherche der britischen Tageszeitung The Guardian verdeutlicht. So werden durch den starken Kursverlust der Lira die in der Türkei angebotenen Fälschungen günstiger für ausländische Händler, die in Euro kaufen. Und durch die wirtschaftlichen Krisenzeiten würden selbst Fabriken, die legal für große Marken produzieren, teilweise Sonderschichten für die Fälschungsproduktion einlegen, da die Profite mit gefälschten Waren wesentlich höher seien – so die Erfahrung von Zeynep Seda Alhas, Spezialistin für IP-Rechte bei einer Istanbuler Anwaltskanzlei.

Die Türkei ist nach China und Hongkong der drittgrößte Exporteur von gefälschten Produkten in die EU (basierend auf dem Beschlagnahmungswert) und gilt mittlerweile als eine Hauptquelle für nachgemachte Designerkleidung und Medikamente (basierend auf der Anzahl beschlagnahmter Fälschungen) , wie aus Schätzungen des EUIPO hervorgeht. Demnach hat sich der Wert der abgefangenen Fälschungen aus der Türkei zwischen 2019 und 2020 mehr als verdreifacht und betrage fast 134 Millionen Euro, wie der Guardian berichtet.

Im Zuge der Währungskrise stiegen nun auch legale Exporte aus der Türkei sprunghaft an und nahmen nach Angaben des staatlichen türkischen Statistikinstituts im Laufe des Jahres um 33 % zu, auf nun 225 Milliarden Dollar (ca. 205 Milliarden Euro). „Es gibt keinen Grund, warum die Ausfuhren von gefälschten Waren weniger stark zunehmen sollten als die legalen Ausfuhren“, kommentiert Ümit İzmen, ehemaliger Chefökonom beim Wirtschaftsverband TÜSİAD.

Für die Kanzlei, bei der die IP-Anwältin Alhas tätig ist, habe sich im Jahr 2021 die Zahl der gerichtlich genehmigten Razzien gegen Fälschungen verdoppelt, die Zahl der sichergestellten Plagiate gar verdreifacht. Allein bei einer Razzia im Januar wurden beispielsweise in drei Istanbuler Werkstätten mehr als 350.000 Paar gefälschte Designer Turnschuhe beschlagnahmt, einige halbfertig, alle für den Versand ins Ausland bestimmt. Alhas erklärt, dass es nur schwer möglich sei, solche Fälschungen abzufangen, wenn die Bestellung online aufgegeben und in kleinen Paketen per Post verschickt werden würden.

Auch in den sozialen Medien wird mittlerweile mit Fälschungen gehandelt. Etwa 300 Pakete mit nachgemachten Waren verschicke ein Ladenbesitzer nach eigenen Aussagen monatlich, der 155,000 Follower auf TikTok habe. „Ich könnte noch viel mehr verkaufen, aber ich möchte keine Aufmerksamkeit erregen“, gibt der Besitzer an. „Unser Umsatz hat sich im Jahr 2021 verdoppelt. Es ist so ein gutes Geschäft, wenn Sie in Dollar oder Euro verdienen.“

In das illegale Geschäft mit Fälschungen seien auch Gruppen der organisierten Kriminalität involviert. Manche Firmen hätten sich auch auf den Export der Plagiate in EU-Länder spezialisiert und würden die illegalen Waren durch Zollkontrollen schleusen. Eine Analyse von Europol berichtete 2020 etwa von Kriminellen, die große Mengen Plagiate aus der Türkei nach Griechenland transportierten, und zwar mit Hilfe von Korruption und Dokumentenfälschung. Auch die bulgarische Zollbehörde vermeldet regelmäßig den Stopp von Fahrzeugen aus der Türkei, die gefälschte Waren transportierten. Aus dem Verkehr gezogen wurde unter anderem ein Busfahrer, der Hunderte Flaschen nachgemachten Parfüms unter dem Beifahrersitz versteckt hatte.

Quelle: The Guardian, EUIPO, Europol

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