Amazon: Fälschungsschutz keine Priorität, sagen Ex-Mitarbeiter

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Amazon vernachlässige den Kampf gegen Plagiate, um keine Nachteile für das eigene Geschäft hinnehmen zu müssen, so aktuelle Vorwürfe. Der US-Konzern betont dagegen, dass man sehr aktiv sei – und dass Kunden fast immer bei nicht verdächtigen Angeboten landen würden.

Amazon würde bewusst den Kampf gegen den Handel mit Fälschungen auf der eigenen Plattform vernachlässigen, um keine Einbußen im eigenen Geschäft hinnehmen zu müssen – dieser Vorwurf wird aktuell in US-Medien erhoben. Der Internet-Riese setze darauf, enorm viele unabhängige Händler, auch aus China, für seine Marketplace-Plattform zu gewinnen. Amazon nehme dabei in Kauf, dass damit auch Fälschungen und andere verbotene Produkte auf der Plattform angeboten werden. „Fälschungen sind ein Problem, das als notwendiges Übel angesehen wird, wenn man in dieser Größenordnung verkaufen will“, so Chris McCabe, der als Ermittler für Amazon tätig war, gegenüber der Washington Post.

Nachdem Amazon ab 2016 stärker gegen Fälschungen vorgegangen war, hätten zwar die Beschwerden nachgelassen – jedoch wäre auch das Warenangebot auf der Plattform weniger stark gewachsen, so eine ehemalige Führungskraft von Amazon, die anonym bleiben möchte, in der Washington Post. Deshalb habe Amazon schließlich Anfang 2018 begonnen, massiv Drittanbieter als Händler aufzunehmen – und zwar unabhängig davon, ob diese autorisiert gewesen seien, die angebotenen Produkte zu vertreiben. Amazon würde Fälschungen gar nicht aufspüren, sondern sein Warenangebot möglichst stark vergrößern wollen, so der ehemalige Amazon-Manager.

All diese Drittanbieter zuzulassen habe die Büchse der Pandora geöffnet, erklärt Juozas Kaziukėnas, Chief Executive von Marketplace Pulse, einer Marktforschungsfirma im Bereich E-Commerce. Verkäufer können sich einfach anmelden und Produkte einstellen, die von Amazon nur über einen Algorithmus überprüft werden. Amazon bietet zudem Drittanbietern an, die Lieferung der Produkte über die eigenen Warenlager laufen zu lassen. Das bedeutet auch, dass gefälschte Artikel sogar in den Warenlagern von Amazon landen können und von den Mitarbeitern des Konzerns umgeschlagen werden.

Rund ein Drittel der Verkäufe über Amazon wird inzwischen von Dritthändlern generiert, wie aus dem Amazon-Jahresbericht 2018 ersichtlich wird; nach Schätzungen von Marketplace Pulse durch mittlerweile 2,5 Millionen unabhängige Drittanbieter. Der Online-Versandhändler behält dabei rund 15 Prozent des Umsatzes der Drittanbieter ein, egal, ob es sich bei den verkauften Produkten um Originale oder potenzielle Fälschungen handelt.

Amazon verweist dagegen auf sein großes Engagement im Kampf gegen Fälschungen, das die rechtlichen Verpflichtungen übersteige. Potenzielle Betrugsfälle würden von Mitarbeitern untersucht und Algorithmen überwachten die täglich mehr als fünf Milliarden Änderungen der Angebote. Auf jeden gemeldeten Fall kämen über einhundert Fälle, die Amazon proaktiv entferne. Amazon-Sprecherin Cecilia Fan betonte auch, dass der Online-Händler seine Maßnahmen gegen Fälschungen nicht verringere: „Wir optimieren unsere Schutzmaßnahmen kontinuierlich und würden sie nie lockern“, so Fan.

Nach Angaben von Fan landeten Kunden in 99,9 Prozent aller Fälle auf Seiten, die keine Benachrichtigung zu möglichen Fälschungen erhalten hätten. Stellt man dieser Zahl die geschätzten 17,6 Milliarden Seitenaufrufe im Oktober gegenüber, bleiben jedoch noch immer etwa 17,6 Millionen Seitenaufrufe allein im Oktober, die zu Angeboten für mutmaßlich verdächtige Waren führten, so die Washington Post.

Für Marken bleibt der Handel mit Fälschungen über Amazon oftmals problematisch. So verkündet aktuell der US-Sportartikelhersteller Nike, zukünftig keine Produkte mehr über Amazon zu verkaufen – der deutsche Schuhhersteller Birkenstock zog sich bereits zuvor von Amazon zurück und beschuldigte den US-Konzern als „Mittäter“ im Fälschungshandel.

Auch der Schweizer Gartenscheren-Hersteller Felco leidet unter Fälschungen, die unter anderem über Amazon verkauft werden. Aktuell bietet das Familienunternehmen auf einer Aktionsseite sogar an, gefälschte Produkte zu ersetzen. „Gefälschte Werkzeuge werden weiterhin bei Amazon verkauft“, erklärte Stephan Kopietzki, Chief Commercial Officer. „Einige Kunden haben Fälschungen zurückgegeben, nur um von Amazon als Ersatz eine Fälschung zurückzuerhalten – das entspricht einfach nicht den Erwartungen unserer Kunden.“

Quellen: Washington Post, Wall Street Journal, Sports Illustrated, Nursery Management, Felco, The Week, NBC News

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