Covid-19: Gefälschte Medikamente in Afrika auf dem Vormarsch

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Die Coronavirus-Pandemie könnte zu einem dramatischen Anstieg gefälschter Medikamente in Afrika führen. Bereits jetzt würden deutlich mehr Plagiate beschlagnahmt; Wissenschaftler der Universität Tübingen unterstützen bei der Analyse von Fälschungen.

Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge ist jedes zehnte medizinische Produkt in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mangelhaft oder gefälscht. Andere Studien gehen gar von 48 Prozent aus. Experten befürchten nun, dass die Coronavirus-Pandemie dieses Problem weiter verschärfen könnte. Problematisch könnte dies vor allem in Afrika werden, von wo bereits 42 Prozent aller Meldungen über Arzneimittelplagiate stammen. „Der derzeitige Fokus auf die Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 bedeutet, dass der Schwerpunkt weniger auf der routinemäßigen Marktüberwachung liegt“, so Delese Mimi Darko, Chief Executive von Ghanas Food and Drug Authority (FDA). Sie befürchtet einen Zustrom minderwertiger Medizinprodukte über die durchlässigen Grenzen.

Einen Verdopplung unautorisierter Chloroquin-Produkte im Vergleich zum Vorjahr meldete Interpol bereits im März als ein Ergebnis der Anti-Fälschungs-Operation Pangea XIII. Die WHO etwa warnte bereits Anfang April vor gefälschten Chloroquin-Produkten, die in Kamerun, Niger und der Demokratischen Republik Kongo gefunden wurden. Vermutungen, dass dieser Wirkstoff zur Behandlung von Covid-19-Erkrankungen genutzt werden könnte, führten zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage und der Preise für das Arzneimittel, das üblicherweise zur Behandlung von Malaria eingesetzt wird. In Ghana wird Chloroquin zwar mittlerweile nicht mehr weit verbreitet gegen Malaria eingesetzt, dennoch häuften sich dort Berichte über minderwertige Tabletten. „Wenn wir jetzt Chloroquin auf dem Markt finden, wird es wahrscheinlich Probleme damit geben“, so Kwasi Boateng, Direktor der gemeinnützigen Organisation United States Pharmacopeia-Ghana.

In Kamerun und dem Kongo gefundene Chloroquin-Fälschungen enthielten zu wenig oder den falschen Wirkstoff, berichtet aktuell die Universität Tübingen. Nachgewiesen wurde dies von der Arbeitsgruppe um Professor Lutz Heide vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen; in Zusammenarbeit mit afrikanischen Pharmazeuten und dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission e. V. (Difäm). Die Fälschungen enthielten demnach etwa nur eine nicht wirksame Chloroquin-Dosis; oder anstelle von Chloroquin das Schmerzmittel Paracetamol oder das Antibiotikum Metronidazol. „Dieser bittere Arzneistoff wurde vermutlich benutzt, um den bitteren Geschmack des Chloroquins nachzuahmen“, so Gesa Gnegel, Mitglied der Arbeitsgruppe. Durch die geringe Dosierung könnten die Plagiate die Entwicklung von resistenten Krankheitskeimen begünstigen. Die gefälschten Medikamente waren dabei nicht nur bei illegalen Händlern, sondern auch in lizenzierten Apotheken aufgefunden worden.

Experten gehen davon aus, dass weitere Fälschungen auf den Markt drängen werden. „Jeder potenzielle Wirkstoff oder Impfstoff, für den eine Wirksamkeit gegen COVID-19 berichtet wird, kann eine verzweifelt hohe Nachfrage auslösen“, erklärt Heide. Das Problem werde sich auch nicht auf Medikamente gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 beschränken – da die Lieferketten von Arzneimitteln aufgrund der Coronavirus-Pandemie gestört sind, stünden vor allem Entwicklungsländer vor Versorgungsengpässen. Der massenhafte Verkauf gefälschter Medikamente könnte eine Folge davon sein.

Quellen: The Guardian, Interpol, Universität Tübingen

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