EU‑Kommission plant ambitionierte Zollreform

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Mit einer neuen Zollreform will die EU‑Kommission die Arbeit für Zollbehörden stärker vereinheitlichen und den Onlinehandel strenger regeln. Die umfassende Reform könnte auch Auswirkungen haben auf den Kampf gegen Fälschungen in der Europäischen Union.

Laut EU‑Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni soll der neue Vorschlag der EU‑Kommission zur Zollreform der größte seit Gründung der Zollunion 1968 sein. Im Mittelpunkt des Konzepts stehen eine neue Zollbehörde der Europäischen Union sowie eine neue EU‑Zolldatenplattform. Zudem soll es neue Regelungen für online gehandelte Waren geben und bisher zollbefreite Kleinsendungen sollen zu großen Teilen zollpflichtig werden. Unter anderem durch den Einsatz von KI will die Kommission auch Prozesse der Einfuhrüberwachung effizienter machen und vereinheitlichen.

Die geplante neue EU‑Zolldatenplattform soll dabei die bestehenden eigenständigen Systeme der Mitgliedstaaten nach und nach ersetzen. Die EU‑Mitgliedsländer könnten so, laut Kommission, jährlich bis zu zwei Milliarden Euro einsparen. Vor allem sollen so auch Informationen zwischen den Mitgliedsländern besser ausgetauscht werden – momentan wissen die Behörden eines Landes oftmals nur wenig über illegale Waren, die Zollbeamte eines anderen Landes identifiziert und abgefangen haben.

Auch für Unternehmen soll die neue Plattform Vorteile bringen: Mit ihr sollen Firmen einen einheitlichen Ort erhalten, um Angaben zu ihren Produkten und Lieferketten zu hinterlegen. Diese sollen dann durch die Behörden auf der Plattform gebündelt eingesehen werden können, so die Kommission. Gepflegt werden soll die Plattform durch die neu einzurichtende EU‑Zollbehörde, welche laut EU‑Kommission die Mitgliedstaaten auch unterstützen soll, etwa bei der Risikobewertung und Koordination.

//„Diese weitreichende Reform wird den Verwaltungsaufwand und die Befolgungskosten für Unternehmen verringern, für mehr Transparenz und Sicherheit für die EU‑Bürgerinnen und -Bürger beim Online‑Einkauf sorgen und einfachere und innovative Verfahren für die Behörden mit sich bringen.“
Gentiloni Paolo, EU‑Kommissar für Wirtschaft

Speziell für den Onlinehandel will die Kommission weitere Änderungen einführen, die vor allem den Import kleinerer Sendungen und das Shopping bei Anbietern außerhalb der Europäischen Union betreffen könnten. So sollen E‑Commerce‑Plattformen zukünftig als Hauptverantwortliche agieren, um die Erfüllung aller Zollverpflichtungen sicherzustellen. Während diese Verantwortung bislang eher beim Verbraucher lag, müssten dann also die Plattformen dafür sorgen, dass Zoll und Mehrwertsteuer bereits beim Kauf entrichtet werden. So sollen auch versteckte Mehrkosten für Kunden vermieden werden.

Mit die größte Aufmerksamkeit erregt allerdings der Vorschlag, die Zollgrenze für Kleinsendungen abzuschaffen. Der aktuelle Schwellenwert, nach dem Waren mit einem Wert von unter 150 Euro zollfrei sind, wird laut EU‑Kommission oftmals von Betrügern ausgenutzt. Diese würden schlicht einen zu niedrigen Wert anmelden oder eine Lieferung in mehrere, kleinere Sendungen aufteilen, um so mutmaßlich unter der 150‑Euro‑Grenze zu sein. Nach Angaben der EU‑Kommission werden momentan bis zu 65 % solcher in die EU eingeführten Waren mit einem zu niedrigen Wert angemeldet.

Die Vorschläge zu E‑Commerce und Kleinsendungen könnten auch wichtige Auswirkungen auf den Markenschutz und die Brand‑Protection‑Aktivitäten von Unternehmen haben. So zeigte kürzlich eine Studie von EUIPO und OECD, dass der Fälschungshandel im Web massiv steigt – bereits 2017 bis 2019 stand demnach rund die Hälfte aller beschlagnahmten gefälschten Importe in Verbindung mit E‑Commerce. Postsendungen spielen auch eine dominierende Rolle beim Blick auf die Anzahl der Beschlagnahmungen nach Transportweg – wie eine weitere Analyse von EUIPO und OECD aus dem Jahr 2021 feststellt. Damals forderte die Untersuchung unter anderem auch eine modernere Risikoanalyse, etwa durch elektronische Manifeste.

Der Vorschlag der EU‑Kommission wird nun von den nationalen Regierungen und dem Europäischen Parlament erörtert werden. Bevor eine Reform umgesetzt werden kann, muss dann ein gemeinsamer Standpunkt gefunden werden.

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