Shein und Temu – Vorwürfe gegen Chinas neue Shopping‑Giganten

© daviles / Fotolia.
Die Onlineshops Shein und Temu drängen derzeit aggressiv auf den Markt. Dabei stehen sie sowohl in Europa als auch in den USA massiv in der Kritik – unter anderem wegen Plagiatsvorwürfen. Auch künstliche Intelligenz (KI) soll dabei für den Handel mit billigen Fälschungen genutzt werden.

Die neu aufkommenden chinesischen E‑Commerce‑Riesen Temu und Shein stehen von vielen Seiten unter kritischer Beobachtung. Mit großen Marketingkampagnen versuchen die beiden Anbieter aktuell, auf dem Markt in Europa und den USA Fuß zu fassen – anscheinend mit einigem Erfolg, wie hohe Download‑Zahlen der jeweiligen Apps zeigen. Allerdings werfen nicht nur die Dumping‑Preise der beiden Online‑Händler Fragen auf. Kritisiert werden auch negative Auswirkungen auf die Umwelt, schlechte Produktionsbedingungen und bemerkenswerterweise auch mögliche Fälschungen in ihren Angeboten.

Der insbesondere als Mode‑Händler bekannte Anbieter Shein (als „Schi‑in“ gesprochen) wird etwa beschuldigt, Designs für Kleidung anderer Hersteller mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) haargenau kopiert und dann auf seiner Plattform verkauft zu haben. Angeblich soll ein Algorithmus mittels KI die Designs auf den Webseiten der Original‑Anbieter scannen – und offenbar sind nur kurze Zeit später massenhaft genaue Kopien über den chinesischen Marktplatz zu Spottpreisen verfügbar. Eine Klage dazu von drei kleineren Firmen in den USA gibt es bereits. Zudem laufen über 50 Klagen gegen den Konzern wegen Verletzungen von geistigem Eigentum, darunter auch von großen Marken wie Levi Strauss oder Ralph Lauren. Eine der Klagen, die vom europäischen H&M‑Konzern, wurde sogar in Hongkong eingereicht; einem Urteil im eigenen Land könne sich Shein womöglich weniger leicht entziehen, so ein Experte.

Ähnlich in der Kritik steht auch der Konkurrent Temu (als „Tii‑Muh“ gesprochen). Temu bietet eine große Reihe verschiedenster Konsumgüter zu Dumping‑Preisen, die – ähnlich wie bei Shein – meist direkt aus China versandt werden. Allerdings beklagen sich beispielsweise viele Amazon‑Verkäufer aus China, dass ihre Angebote auf der Plattform kopiert würden. Das Technologie‑Magazin Wired hat Dutzende dieser Fälle untersucht und tatsächlich immer wieder kopierte Angebote gefunden, einschließlich Produktbildern, Beschreibungen und sogar der sogenannten Browse Trees, einer Methode zur Optimierung von Produktangeboten. Auf Beschwerden der Betroffenen reagiere Temu angeblich nicht. Das Unternehmen ist eine Tochterfirma von PDD – zu dem chinesischen Internet‑Konzern gehört auch der E‑Commerce‑Anbieter Pinduoduo, der selbst im Verdacht steht, Fälschungen und andere illegale Produkte anzubieten. Pinduoduo landet seit einigen Jahren auf der Notorious‑Markets‑Liste der US‑Regierung.

In den USA veröffentlichte eine Kongresskommission, die U.S.‑China Economic and Security Review Commission (USCC), im Frühjahr 2023 einen sehr kritischen Bericht über Shein und Temu. Der USCC-Bericht wirft den beiden Anbietern vor, sie würden mutmaßlich potenziell gesundheitsschädliche Materialien verbreiten, Nutzerdaten missbrauchen und gegen gewerbliche Schutzrechte verstoßen. Earl Blumenhauer vom Handelsausschuss des US‑Repräsentantenhauses will jetzt dafür sorgen, dass höhere Zölle auf Fast‑Fashion‑Importe aus China verhängt werden. Vor allem bei Sendungen unter 800 Dollar (ca. 748 Euro) machen sich Shein und Temu ein Schlupfloch im US‑Gesetz zu Nutze – auf diese müssen nämlich keine Zölle gezahlt werden. In der Europäischen Union liegt diese Freigrenze bisher noch bei 150 Euro, allerdings will die EU den Schwellenwert im Zuge einer Zollreform abschaffen.

Auch in Europa gibt man sich oft kritisch gegenüber Shein. In Frankreich fordert beispielsweise eine Online‑Petition gegen Shein, die Handelsplattform zu verbieten. Aktuell hat die Petition rund 260.000 Unterschriften (Stand: 02.10.2023). Die französische Regierung leitete auch eine Untersuchung ein, um zu prüfen, inwiefern Shein der Umwelt schade und möglicherweise giftige Produkte verbreite. Und eine Gruppe um den französischen EU‑Parlamentarier Raphaël Glucksmann forderte die Regierung auf, Gesetze und Regeln gegen den Anbieter zu erlassen, dessen niedrige Preise eine Gefahr für europäische Unternehmen seien.

Experten schätzen, dass Shein bereits 28 % Anteil am Fast‑Fashion‑Markt in den USA und sogar fast 40 % Marktanteil am Ultra‑Fast‑Fashion‑Markt haben soll. Derzeit bewerten sie das Unternehmen mit einem Marktwert von 68 Milliarden Dollar (rund 63.5 Milliarden Euro). Es wird außerdem von anscheinend 75 Millionen aktiven Kunden weltweit berichtet und von rund 61 Milliarden Bestellungen pro Jahr.

Die Temu‑App liegt bereits auf Platz eins der kostenlosen Apps in Apples App‑Store, Shein nicht weit dahinter auf Platz 12. Die Shein‑App hatte offenbar allein im vergangenen Jahr 200 Millionen weltweite Downloads und damit mehr als jede andere App.

– Anzeige –